Ukraine:"Wahlergebnis vorerst nicht gültig"

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Der Oberste Gerichtshof in Kiew hat zunächst die Veröffentlichung des umstrittenen amtlichen Ergebnisses verboten: Erst müsse über die Beschwerde der Opposition beraten werden, die der Regierung Wahlfälschung vorwirft. Javier Solana ist unterdessen nach Kiew gereist, um für die EU zu vermitteln.

Der Oberste Gerichtshof der Ukraine hat die amtliche Veröffentlichung des umstrittenen Ergebnisses der Präsidentenwahl bis auf weiteres untersagt. Zunächst müsse über die Beschwerde der Opposition wegen der mutmaßlichen Fälschung der Präsidentschaftswahl beraten werden, sagte eine Gerichtssprecherin. Das Wahlergebnis werde "nicht gültig" sein, bis sich das Oberste Gericht darüber befunden habe. Laut Statuten muss das Wahlergebnis in der staatlichen Presse veröffentlicht werden, damit es gültig ist.

Die Opposition um den Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko hatte den Obersten Gerichtshof angerufen, um das Ergebnis zu prüfen. Zuvor war der pro-russische Kandidat Viktor Janukowitsch mit knapp drei Prozentpunkten Vorsprung von der Wahlkommission zum Sieger erkärt worden. Seit Tagen demonstrieren Juschtschenkos Anhänger gegen das Resultat, das ihrer Meinung nach massiv gefälscht wurde.

Putin gratuliert Janukowitsch

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach sich dafür aus, die Kontroverse um das Wahlergebnis durch die Gerichte klären zu lassen.

Die Europäische Union versucht nun einen Vermittlungsversuch: Der außenpolitische Repräsentant der EU, Javier Solana, reist zur Stunde nach iew, um mit allen Beteiligten Gespräche zu führen. Die EU erkennt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht an - sie vermutet Wahlfälschung.

Die Regierung in Berlin verstärkte mit intensiver Telefondiplomatie ihre Bemühungen zur Entschärfung der Krise. Der polnische Staatschef Aleksander Kwasniewski und sein litauischer Kollege Valdas Adamkus, die möglicherweise vermitteln könnten, telefonierten mit dem amtierenden Präsidenten Leonid Kutschma.

Der frühere polnische Staatschef und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa traf in Kiew ein, um im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) Gespräche zu führen.

Nach einem Treffen von EU und Russland in Den Haag hob Putin hervor, dass die Wahl in der Ukraine gemäß Gesetzen abgelaufen sei, die auch von den späteren Kritikern des Ergebnisses unterstützt worden seien. Er sprach sich dafür aus, die Probleme im Rahmen der Verfassung zu lösen. Zuvor hatte er seine Unterstützung für Janukowitsch bekräftigt. Er gratulierte ihm "zur Wahl in das Amt des Präsidenten der Ukraine".

Nicht auf das eigene Volk schießen

In Kiew baute die Opposition eine Kongresshalle zur Kommandozentrale für ihre Aktionen aus. Das ehemalige Lenin-Museum, das mittlerweile zum ukrainischen Präsidialamt gehört, war am Vorabend besetzt worden. Dort konnten die seit Tagen ausharrenden Demonstranten sich aufwärmen, essen und schlafen. Außerdem tagte dort ein von Juschtschenko einberufenes "Komitee zur nationalen Rettung".

Studenten besetzten das Bildungsministerium in Kiew. Es gelang ihnen zwar nicht, den Minister Wassili Kremin zum Rücktritt zu bewegen. Kremin sicherte aber nach Medienberichten zu, dass keine Studenten wegen ihrer Teilnahme an den Protesten bestraft würden. In der westukrainischen Metropole Lwow traten die Lehrer unbefristet in Streik. Auf Kiews internationalem Flughafen Borispol herrsche normaler Betrieb, teilte dessen Leitung mit. Die Opposition hatte Störungen des Verkehrs auf Bahnhöfen und Flughäfen angekündigt.

Die Armee in der Oppositionshochburg Westukraine wird nach Angaben ihres Kommandeurs nicht auf das eigene Volk schießen. "Ich versichere ihnen offiziell, dass sich die Einheiten des Westkommandos nicht gegen das eigene Volk einsetzen lassen werden", sagte Generalleutnant Michail Kuzin in Lwow (Lemberg). Die Truppen wollten neutral bleiben.

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