Ukraine:Beide Seiten zu Vermittlungsgesprächen bereit

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Demonstrationen und internationale Kritik zeigen offenbar erste Wirkung: Der scheidende Präsident Kutschma will sich angeblich noch heute mit Ministerpräsident Janukowitsch und Oppositionsführer Juschtschenko treffen. Auch EU-Chefdiplomat Solana und die Staatschefs von Polen und Litauen sollen an den Gesprächen teilnehmen.

EU-Chefdiplomat Javier Solana und der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski trafen bereits mit dem scheidenden ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma zusammen.

Kutschma wollte sich angeblich noch am selben Tag mit dem offiziellen Sieger Viktor Janukowitsch und dem Führer der Opposition, Viktor Juschtschenko, treffen.

Juschtschenko hat bislang erklärt, er wolle allein mit Kutschma verhandeln. Voraussetzung für Gespräche sei außerdem das Eingeständnis, dass das Ergebnis der Präsidentenwahl vom Sonntag ungültig sei.

Kwasniewski wollte in Kiew einen Dreipunkte-Plan vorstellen, der Gespräche zwischen den rivalisierenden Parteien, eine Neuauszählung der Stimmen bei der Präsidentenstichwahl vom vergangenen Sonntag und eine Verpflichtung zum Gewaltverzicht vorsieht.

Als weitere Vermittler reisten auch OSZE-Leiter Jan Kubis und der litauische Präsident Valdas Adamkus nach Kiew.

Am Vorabend hatte Außenminister Joschka Fischer nach Sprecherangaben mit den Außenministern der USA und Polens, Colin Powell und Wlodzimierz Cimoszewicz telefoniert, sowie mit dem ukrainischen Oppositionsführer Viktor Juschtschenko und dem scheidenden Präsidenten Leonid Kutschma..

Ziel der Gespräche ist es, zu einer über jeden Zweifel erhabenen Überprüfung des Wahlergebnisses mit Hilfe der OSZE zu kommen. Ohne einen nationalen Konsens sei eine friedliche Lösung nicht zu erwarten.

Lage spitzt sich zu

In Kiew spitzte sich die Lage unterdessen weiter zu. Tausende von Anhängern Juschtschenkos blockierten Regierungsgebäude in Kiew und ließen niemand passieren.

Vor dem Sitz des Kabinetts wurde eine Menschenkette aus fünf Reihen gebildet. Dadurch wurden Mitarbeiter Janukowitschs daran gehindert, das Gebäude zu betreten.

Autos und Busse, drapiert mit Fahnen in der orangenen Farbe der Oppositionsbewegung, verstopften die Straßen der Umgebung. Auch einige Verkehrspolizisten trugen orangefarbene Armbinden. Im Hintergrund hielten sich starke Spezialeinheiten der Polizei bereit.

Eine Menschenkette gab es auch vor dem Gebäude der Präsidialverwaltung, das von Polizisten in Kampfausrüstung gesichert wurde. Mit den Blockaden folgten die seit Sonntag Tag und Nacht auf der Straße ausharrenden Regierungsgegner einem Aufruf von Julija Tymoschenko, einer Verbündeten von Juschtschenko, die eine radikalere Linie als dieser vertritt.

Aus der 150 Kilometer nördlich von Kiew gelegenen Stadt Tschernihiw wurden am Freitag Schüsse gemeldet. Polizisten hätten über die Köpfe von Anhängern Juschtschenkos hinweg gefeuert, die in eine Stadtratssitzung einzudringen versuchten, meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian unter Berufung auf ein Ratsmitglied. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt.

Unterdessen trafen auch Anhänger Janukowitschs mit Zügen und Bussen aus dem Osten des Landes in Kiew ein, um ihre Unterstützung für das Regierungslager zu bekunden.

"Die Leute in Kiew behandeln uns wie Leprakranke", sagte einer von ihnen, der 24-jährige Jurij Koschtschun aus Melitopol. "Sie weigern sich sogar, uns Wasser zu geben."

Nach einer Eingabe Juschtschenkos hat das Oberste Gericht entschieden, dass das endgültige Wahlergebnis vorerst nicht verkündet werden darf. Vorher kann Janukowitsch auch nicht als Nachfolger von Präsident Kutschma eingesetzt werden. Das Gericht will am Montag über den Antrag beraten.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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