Überraschend große Mehrheit im Parlament:Umgebildete EU-Kommission ins Amt gewählt

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Der künftige Kommissions-Präsident Barroso will mit seiner umgestalteten Mannschaft "im Alltag der Europäer wirklich etwas bewirken".

Von Christian Wernicke

Mit überraschend großer Mehrheit hat das Europaparlament die künftige EU-Kommission ins Amt gewählt. Am Donnerstag stimmten 449 Abgeordnete, darunter die meisten Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen, für das Team von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso.

149 Parlamentarier - fast alle Grünen, Linkssozialisten sowie die meisten Europagegner - lehnten die Kommission ab. 82 der 680 gültigen Stimmen waren Enthaltungen. Damit erreichte Barroso die Zustimmung von zwei Dritteln aller anwesenden Abgeordneten und damit nur etwas weniger Zuspruch als die scheidende Prodi-Kommission vor fünf Jahren erhalten hatte.

Neue Dynamik

Barroso sagte nach dem Votum, er und seine 24 EU-Kommissare seien "ungeduldig, ihre Arbeit zu beginnen." Ziel der neuen Brüsseler Kommission sei es, "im Alltag der Europäer wirklich etwas zu bewirken." Die EU müsse eine "neue Dynamik entwickeln" und durch Wirtschaftsreformen mehr Arbeitsplätze schaffen.

Die stärkste Unterstützung erhielt Barroso von Christdemokraten und Konservativen (EVP), der mit 268 Mitgliedern größten Gruppe. Von ihnen stimmten 244 (92 Prozent der anwesenden Abgeordneten) für die Kommission, darunter alle CDU- und CSU-Abgeordneten. Die meisten britischen Tories enthielten sich hingegen.

Hans-Gert Pöttering, der deutsche EVP-Fraktionschef, sprach von "einem großen Erfolg" seiner Parteienfamilie, die Barroso schon bei seiner Berufung zum künftigen Kommissionschef im Sommer "voll und ganz unterstützt" habe.

Weit weniger geschlossen votierten die Sozialdemokraten: Nur 127 der 187 anwesenden Abgeordneten (67 Prozent) sagten "Ja" zur Barroso-Kommission, 29 lehnten sie ab und 31 enthielten sich. Martin Schulz, der deutsche SPE-Fraktionschef, hatte sich nach der auch von seiner Gruppe im Oktober betriebenen Umbildung der Barroso-Kommission ein weitaus deutlicheres Ergebnis erhofft.

Zwar stimmten die SPD-Abgeordneten einhellig für Barroso, doch verweigerten ihm französische und italienische Sozialisten ihr Vertrauen. Auch in der liberalen Fraktion, die sich mit den Stimmen der FDP-Abgeordneten zumeist für Barroso aussprach, enthielten sich Italiener und Franzosen.

Weiter Skepsis

Als ein Grund für diese Skepsis gilt, dass Barroso an der umstrittenen Kommissarin für Wettbewerbspolitik, der Niederländerin Neelie Kroes, festhielt. Zahlreiche Abgeordnete glauben, Kroes sei als EU-Wettbewerbshüterin ungeeignet, da sie bis Sommer diesen Jahres vielen Konzernen als Mitglied in Aufsichtsräten oder als Beraterin gedient habe.

Die Grünen verwiesen auf anstehende Kartellverfahren, bei denen Brüssel eventuell Strafen gegen Firmen verhängen müsse, für die Kroes noch bis August 2004 gearbeitet hatte. Kroes sei "eine Zeitbombe für die Glaubwürdigkeit der Kommission".

Der Konflikt um Kroes belastet auch Barrosos Verhältnis zu den Liberalen: Der Portugiese sagte, deren Fraktionschef Graham Watson habe ihm vor Wochen "mehrfach bestätigt, dass Frau Kroes am rechten Platz sitzt". Watson bestreitet dies.

© SZ vom 19.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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