Übergangsregierung im Irak:Souverän von Washingtons Gnaden

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Die USA wollen weiter mitentscheiden im Irak - die Übergangsregierung soll keine Gesetze erlassen dürfen und wichtige Befugnisse an die Amerikaner abgeben.

Von Wolfgang Koydl

Keiner hat je behauptet, dass US-Präsident George W. Bush die Regierungsgewalt im besetzten Irak am 30. Juni mit Begeisterung an eine Übergangsregierung abtreten würde.

Es waren die widrigen Umstände - nicht zuletzt der bewaffnete Widerstand - und die eigenen Fehlschläge, die Washington zu diesem Zugeständnis zwangen. Amerikas Misstrauen gegenüber den Vereinten Nationen und deren Sonder-Emissär Lakhdar Brahimi hat dies freilich nicht verringern können.

Im Gegenteil: Die jüngsten Israel-kritischen Äußerungen Brahimis wurden von den Amerikanern als Beweis dafür gewertet, dass ihre Vorbehalte gerechtfertigt waren.

Brahimi sprach vom "giftigen Einfluss" Israels

Wie kritisch die US-Regierung die Arbeit des UN-Vertreters verfolgte, zeigt sich allein daran, dass Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice einen ihrer Stellvertreter dafür abstellte, Brahimi auf Schritt und Tritt zu begleiten, wann immer er im Irak verhandelte.

"Brahimi ist ein Algerier mit einer arabisch-nationalistischen Agenda", zeterte denn auch aus Bagdad Achmed Tschalabi, der Vertrauensmann des Pentagon und Führer des Irakischen National-Kongresses, nachdem der UN-Mann vom "giftigen Einfluss" Israels in der Region gesprochen hatte.

Brahimi sei im Irak eine äußerst umstrittene Figur. "Dabei muss er eine einigende Figur sein, damit er eine effektive Regierung auswählen kann." Tschalabi hätte mit diesen Worten freilich genauso gut sich selbst beschreiben können.

Denn auch er ist von Anfang an eine umstrittene Wahl gewesen, und deshalb wird er - genauso wie vermutlich die meisten anderen Mitglieder des von den USA ernannten irakischen Regierungsrates - nicht in die Interimsregierung übernommen werden, deren Teilnehmer Brahimi in Absprache mit den USA und Irakern derzeit auswählt.

Das Gremium soll nicht gegen die Amerikaner entscheiden können

Volle Souveränität soll diese Übergangsregierung jedoch nicht erhalten, wenn es nach den Amerikanern geht. Sie wollen verhindern, dass das Gremium Gesetze verabschiedet, die aus Sicht Washingtons abträglich für die Zukunft des Landes sein könnten. Zudem will sich das US-Militär nicht dem Kommando der Interimsregierung unterwerfen.

US-Außenminister Colin Powell hat zuletzt immer deutlicher betont, dass die USA einen Teil der Vollmachten behalten wollten, damit US-Truppen weiterhin freie Hand bei der Verfolgung von Aufständischen im Lande behalten können.

"Sie werden schon Souveränität haben, aber sie werden uns erlauben müssen, einen Teil dieser Souveränität an ihrer Stelle und mit ihrer Zustimmung ausüben zu dürfen", erklärte Powell den Irakern die feinen Unterschiede.

Und fügte hinzu: "Es geht nicht darum, dass wir ihnen irgendetwas wegnehmen. Die USA müssen aber im Stande sein, frei zu handeln, und dies berührt in gewisser Weise das, was man volle Souveränität nennt."

Powell hofft auf das Verständnis der Iraker

Der Minister weiß, dass der Rest der Welt - und auch viele Iraker - anders über dieses Thema denken. Die Frage eines teilweisen Souveränitätsverzichts wird deshalb auch eine zentrale Rolle spielen, wenn im UN-Sicherheitsrat eine neue Resolution verhandelt wird, welche die Übergangsverwaltung in Bagdad und die künftige Rolle der USA und der Vereinten Nationen im Irak legitimiert.

"Wir brauchen Zeit, um eine sichere Umgebung zu schaffen, so dass die Leute zur Wahl gehen können", sagte Powell dazu. "Ich hoffe, das irakische Volk versteht, dass diese Zeit notwendig ist und dass es in der Zwischenzeit die Übergangsvereinbarung unterstützt."

© SZ vom 28.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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