Türkei:Weiter Bangen um die Geiseln

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Im Fall der von der kurdischen PKK entführten Bayern sieht es derzeit nicht nach einem schnellen Ende der Geiselnahme aus. Experten warnen unterdessen vor einem Einsatz der Armee gegen die PKK. Denn das könnte auch zu Gewalttaten in Deutschland führen.

Matthias Drobinski

Natürlich sagt Jens Plötner, der Außenamtssprecher, was seines Amtes ist: Dass man mit Hochdruck daran arbeite, die entführten Deutschen in der Türkei, in Nigeria und in Somalia freizubekommen. Dass man, um die Arbeit des Krisenstabes nicht zu erschweren, keine "operativen Details" sagen könne, aber alles tue, um die drei Bergsteiger im Kurdengebiet, die beiden Mitarbeiter des Baukonzerns Bilfinger und Berger und das vor der Küste Somalias entführte Paar heil nach Hause zu holen.

Es herrscht erkennbar Unsicherheit

Doch vor allem im Fall der drei Bayern, die am Ararat in die Hände der kurdischen PKK geraten sind, herrscht erkennbar Unsicherheit. Nach einem schnellen Ende der Geiselnahme sieht es derzeit nicht aus. Offenbar war die Aktion die Idee eines lokalen PKK-Führers - die Spitze der Organisation hat sich zumindest formal von der Entführung distanziert. Und dann doch Forderungen gestellt: Die Türkei solle "ihre militärischen Attacken in der Gegend" einstellen, sagte eine PKK-Sprecherin, dann seien die Deutschen bald frei.

Dass die türkische Armee darauf eingeht, ist unwahrscheinlich. Bei neuen Gefechten am Sonntagabend kamen zwei türkische Soldaten und acht kurdische Rebellen ums Leben, wie der Generalstab der Armee am Montag mitteilte. Die Gefechte ereigneten sich am Berg Cudi in der Provinz Sirnak nahe der Grenze zum Irak. Was das für die drei Bergsteiger heißt, darüber kann man nur spekulieren. In der Vergangenheit hat die PKK Geiseln meist human behandelt und wieder freigelassen. Ein PKK-Sprecher bezeichnete die entführten Deutschen nicht als Geiseln, sondern als "Ehrengäste". Ihnen gehe es "ausgezeichnet".

500.000 Kurden in Deutschland

Sollte das Militär dennoch versuchen, die Geiseln gewaltsam zu befreien, wäre kaum vorhersehbar, welche Auswirkungen dies in Deutschland hätte. In der Bundesrepublik leben 500.000 Kurden, der Einfluss der PKK ist immer noch groß, obwohl die Terror-Organisation seit 1993 verboten ist. Eskalieren die Kämpfe in der Türkei, könnte dies neue Proteste und auch Gewalttaten in Deutschland bedeuten.

Nach unbestätigten Informationen sollen die Entführer vom Ararat sich zum Handeln entschlossen haben, als das Bundesinnenministerium im Juni die Ausstrahlung des kurdischen Senders Roj-TV untersagte, weil er PKK-Propaganda verbreite. Vertreter kurdischer Organisationen in Deutschland haben allerdings die Entführer aufgerufen, ihre Geiseln freizulassen.

© SZ vom 15.07.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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