Türkei und EU:Kritik ist einfach

Das Flüchtlingsabkommen liegt im Interesse beider Seiten.

Von Kurt Kister

Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei steht hierzulande in der Kritik. Die einen schimpfen, dass die EU der Türkei nicht den Auftrag zuschanzen dürfe, Flüchtlinge fernzuhalten. Andere fordern, Europa müsse seine Grenzen selbst schützen und Flüchtlinge zurückweisen. Kritik zu üben ist einfacher, als Lösungen zu finden: Alle EU-Staaten wehren sich gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Aber sie im Meer "abweisen"? Fragt sich, wie das gehen soll und wie viele diese Form der Grenzsicherung nicht überleben würden.

Weil das so ist, hat die EU das Flüchtlingsabkommen geschlossen. Dies geschah vor dem Putsch, der die Türkei stark verändert hat. Die Regierung Erdoğan befindet sich seitdem im Zustand aggressiver Verteidigung und hat sich eingeigelt; die Wagenburgmentalität lässt sich auch am jüngsten Bild-Interview des Außenministers Çavuşoğlu ablesen.

Sollte die Türkei in ein paar Wochen wieder alle, die nach Griechenland und damit in die EU wollen, ziehen lassen, wird dies angesichts der aus nationalem Egoismus geschlossenen Grenzen auf dem Balkan zur Krise in Griechenland und alsbald zu deren Ausweitung führen. Die Türkei, die Millionen Flüchtlinge beherbergt, und die EU haben gemeinsame Interessen, auch wenn man deswegen autokratisches Regieren nicht belohnen muss. Politik aber bedeutet, Kompromisse zugunsten gemeinsamer Interessen zu finden.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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