Türkei:Terroranklage gegen 86 Verdächtige

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Wegen mutmaßlicher Beteiligung an angeblichen Umsturzplänen sind in der Türkei 86 Personen angeklagt worden - unter ihnen befinden sich auch ehemalige Militär-Angehörige.

In der Türkei hat die Staatsanwaltschaft die seit Monaten erwartete Anklage wegen eines angeblichen nationalistischen Umsturzkomplotts vorgelegt. Der Istanbuler Oberstaatsanwalt Aykut Cengiz Engin präsentierte an diesem Montag bei einer Pressekonferenz Teile der Anklageschrift.

Darin wird 86 Verdächtigen vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, um die Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan zu stürzen. Namen nannte Engin nicht.

Die Klageschrift umfasst 2500 Seiten. Für die Hauptbeschuldigten der Gruppe "Ergenekon" will die Anklage lebenslange Haft fordern. Ein Istanbuler Schwurgericht wird innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob ein Prozess gegen die Beschuldigten eröffnet wird.

Die Gruppe "Ergenekon", der angeblich mehrere ehemalige Generäle der türkischen Armee angehörten, soll versucht haben, die Türkei durch Attentate und Massendemonstrationen ins Chaos zu stürzen, um ein Einschreiten der Militärs zu provozieren. Die Ermittlungen hatten vor mehr als einem Jahr nach einem Waffenfund in Istanbul begonnen. Derzeit sitzen 48 Verdächtige in Untersuchungshaft. Der Name "Ergenekon" bezieht sich auf die mythische Heimat der Türken in Zentralasien.

Anschlag auf Nobelpreisträger Pamuk geplant

Nach Angaben von Staatsanwalt Engin steckte "Ergenekon" unter anderem hinter dem Mordanschlag auf einen Richter des Obersten Verwaltungsgerichts in Ankara im Jahr 2006 und hinter Handgranaten-Anschlägen auf die Oppositionszeitung "Cumhuriyet" im selben Jahr. Beide Gewalttaten waren damals radikalen Islamisten zugeschrieben worden. Nach Presseberichten plante "Ergenekon" auch einen Anschlag auf Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk; Staatsanwalt Engin sagte dazu am Montag jedoch nichts. Weitere Details der Anklage könnten erst nach Prozesseröffnung bekannt gegeben werden, sagte er.

Der Fall "Ergenekon" ist in der türkischen Öffentlichkeit umstritten. Während einige Beobachter die Ermittlungen als Fortschritt der demokratischen Entwicklung des Landes loben, weil die Justiz gegen ehemalige hohe Armeeoffiziere tätig geworden ist, sprechen Erdogan-Gegner von einem Versuch der Regierung, ihre Kritiker einzuschüchtern.

© Reuters/AFP/plin/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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