Türkei in Libyen:Viel Krieg, wenig Substanz

Der Einsatz ist riskant und planlos.

Von Tomas Avenarius

Recep Tayyip Erdoğan sagt den Türken eine strahlende Zukunft voraus: Seit Jahrzehnten sei die Türkei nicht mehr so sehr als Führungsmacht wahrgenommen worden. Im Wochenrhythmus werden in den Medien selbstentwickelte Hightech-Waffen vorgestellt, für den Export und für die eigenen Kriege. Dazu werden militärische Erfolge gemeldet, aus Libyen, Syrien, Irak. An Sendungsbewusstsein fehlt es also nicht.

Mit der Rolle einer Mittelmacht als Gelenk zweier Kontinente gibt sich dieser Präsident nicht zufrieden. Die mit dem Ende des Kalten Kriegs erwachsene Vermittlerrolle zwischen Europa, Nahost, dem Kaukasus und Zentralasien reicht nicht: Erdoğan wird nachgesagt, dass er die Türkei im Kreis der islamischen Staaten in der Vormachtrolle des früheren Osmanen-Reichs sehe.

Das klingt nach "Make Turkey great again". Dazu passt, dass Ankara sich im weit entfernten Bürgerkriegsland Libyen festsetzt, mit der Pro-forma-Regierung ein Truppenstationierungsabkommen schließt und deren Krieg fortsetzen will. Aber in fernen Ländern Krieg zu führen ist keine Frage allein von Chuzpe und Sendungsbewusstsein, sondern auch von Infrastruktur, Truppen und vor allem von funktionierenden Nachschublinien quer über das Mittelmeer. Am Letzteren mangelt es der Türkei.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: