Türkei:Can Dündar tritt zurück

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Der in der Türkei wegen Geheimnisverrats verurteilte Chef der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, legt seinen Posten nieder.

Der in der Türkei wegen Geheimnisverrats verurteilte Journalist Can Dündar legt seinen Posten als Chefredakteur der oppositionellen türkischen Tageszeitung Cumhuriyet nieder. In einer am Montag veröffentlichen Kolumne kündigte Dündar zudem an, er werde sich nach seiner Verurteilung zu knapp sechs Jahren Haft vorerst nicht der türkischen Justiz stellen. Aufgrund des nach dem gescheiterten Putschversuch verhängten Ausnahmezustands herrsche in seinem Heimatland "Gesetzlosigkeit", schrieb Dündar.

Der Journalist war im Mai nach der Veröffentlichung eines Artikels über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien zu knapp sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Bis zu seinem Berufungsverfahren bleibt er aber auf freiem Fuß. Er soll sich zurzeit in Deutschland aufhalten. Da er keinen fairen Prozess erwarten könne, werde er sich der Justiz entziehen, "zumindest solange der Ausnahmezustand nicht aufgehoben wird", erklärte der Journalist. Er habe kein Vertrauen mehr in die Justiz.

Die türkische Regierung geht derzeit mit großer Härte gegen mutmaßliche Beteiligte am Umsturzversuch vor. Am Montag durchsuchte die Polizei laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Doğan drei Gerichte in Istanbul. Demnach sollten dabei Haftbefehle gegen 173 Staatsanwälte und Justizangestellte vollstreckt werden. Den Beschuldigten werden Verbindungen zu dem islamischen Prediger Fethullah Gülen zur Last gelegt. Die Regierung macht den im US-Exil lebenden Prediger für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich.

Den USA und der EU wirft Ankara vor, den versuchten Umsturz nicht hinreichend verurteilt zu haben. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kritisierte, Ankara habe nichts an echter Unterstützung erhalten. Von Teilen der EU habe man nur Drohungen, Beleidigungen und eine totale Blockade bekommen, sagte er der Bild-Zeitung von Montag. Auch in der Flüchtlingsfrage agiere die EU nach dem Motto "Wir sind die Chefs, und so wird es gemacht." Çavuşoğlu erneuerte das Ultimatum, bei Verweigerung der Visafreiheit für Türken das Flüchtlingsabkommen mit den Europäern platzen zu lassen. Auf die Frage, was geschehe, wenn es aber von Oktober an keine Visafreiheit für seine Landsleute gebe, sagte er: "Entweder wenden wir alle Verträge gleichzeitig an oder wir legen sie zur Seite."

© SZ vom 16.08.2016 / AFP, Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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