Tschernobyl, 26.4.1986:"Meine Freunde sind vor meinen Augen gestorben"

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Am Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl erinnern die Menschen in der Ukraine, in Weißrussland und auch außerhalb der ehemaligen Sowjetunion an die Katastrophe und ihre Folgen.

Um 01.23 Uhr am 26. April 1986 explodierte der Atom-Meiler 4 des Kernkraftwerkes von Tschernobyl nach einem gescheiterten Experiment.

Kerzen brennen in Slavutych, Ukraine, zur Erinnerung an Feuerwehrleute, die an den Folgen der Katastrophe von Tschernobyl gestorben sind. (Foto: Foto: Reuters)

Mit Gottesdiensten und Schweigeminuten haben zehntausende Menschen in der Ukraine, Weißrussland und Russland der Reaktorkatastrophe vor 20 Jahren gedacht.

Am Ort der Tragödie in der Nordukraine versammelten sich am Morgen frühere Mitarbeiter des Kraftwerks und deren Familien zu Ehren der unzähligen Tschernobyl-Opfer.

Auch Präsident Viktor Juschtschenko nahm an einer Trauerstunde auf dem Gelände des Atomkraftwerks für die zahlreichen Opfer teil.

"Wir sind schon tot, verschwinde"

"Meine Freunde sind vor meinen Augen gestorben", sagte Konstantin Sokolow, ein ehemaliger Arbeiter in dem Atomkraftwerk. Er versuche noch immer, die schrecklichen Erinnerungen an den Unfall zu verdrängen.

Der 66 Jahre alte Mikola Malyschew sagte, seine Kollegen in dem zerstörten Reaktor hätten ihn nach der Explosion gedrängt schnell zu fliehen. "Wir sind schon tot, verschwinde", hätten sie ihm zugerufen.

In Kiew läuteten um 01.23 Uhr die Glocken 20 Mal. Im benachbarten Weißrussland, das bis heute am stärksten von der schlimmsten zivilen Atomkatastrophe der Geschichte betroffen ist, wollen sich am Abend tausende Menschen am Tschernobyl-Marsch in der Hauptstadt Minsk beteiligen.

Die Veranstaltung ist traditionell zugleich eine Protestkundgebung gegen das Regime von Staatspräsident Alexander Lukaschenko.

Proteste in Russland und Deutschland

Auf dem Roten Platz in Moskau nahm die Polizei 13 Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace fest, die ungeachtet eines Demonstrationsverbots gegen die fortdauernde Atomkraftnutzung in Russland protestiert hatten.

In Deutschland hat Greenpeace angekündigt, sich in 70 Städten mit Mahnveranstaltungen und Protestaktionen unter anderem vor dem Brandenburger Tor in Berlin für ein Ende der Atomkraft einzusetzen.

Eine Explosion im Reaktor Nummer vier von Tschernobyl hatte vor 20 Jahren zum bislang folgenschwersten Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie geführt.

Zehn Tage lang wurden Regionen in Nord- und Westeuropa radioaktiv verstrahlt; hunderttausende Menschen mussten umgesiedelt werden.

Wie viele Menschen an den Folgen der Strahlung gestorben sind und noch sterben werden, ist umstritten. Manche Experten gehen von 4000 Krebstote aus, andere rechnen mit 93.000.

Gabriel: Es bleibt beim Ausstieg

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat zum 20. Jahrestag der Reaktorkatastrophe das Ziel eines deutschen Ausstiegs aus der Atomenergie bekräftigt.

Angesichts der Katastrophe sei es nicht sinnvoll, auf eine Technologie zu setzen, bei der technisches und menschliches Versagen nicht passieren dürfe, sagte Gabriel im Deutschlandradio Kultur.

Der SPD-Minister verteidigte sich zugleich gegen Vorwürfe aus der Union, er habe die Position der Bundesregierung zur Atomenergie in einer Informationsbroschüre zu einseitig dargestellt. "Im Koalitionsvertrag steht, dass wir aus der Atomenergie aussteigen."

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