Trump und Merkel:Annäherung auf Umwegen

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Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, über die Tochter und wichtige Beraterin Ivanka Trump einen besseren Draht zum neuen US-Präsidenten zu bekommen.

Von Cerstin Gammelin

Es lag in der Luft, dieses Gefühl von "Oh, mein Gott", das man von Konzertbesuchen kennt, wenn eine Rockband endlich auf die Bühne tritt. In Berlin war es am Dienstag der Einzug der Chefinnen, der ähnliche Begeisterung aufkommen ließ. Im Hotel Interconti hatte sich am Mittag eine Doppeltür aufgetan, dann schritten sie heraus. Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Mitte, einen halben Schritt vor der niederländischen Königin Maxima zu ihrer Linken - und dem heimlichen Stargast rechts von ihr, der First Daughter Ivanka Trump. Gefolgt wiederum von weiteren Chefinnen wie der des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland.

Sitznachbarinnen: Angela Merkel und Ivanka Trump bei der internationalen Fruenkonferenz W 20 in Berlin. (Foto: REUTERS)

Merkel hatte zur internationalen Frauenkonferenz W 20 geladen, als amtierende Präsidentin der G 20, der Gruppe der zwanzig weltweit mächtigsten Staaten. Die Gastgeberin wirkte entspannt und ließ sich später auf dem Podium sogar in eine Diskussion über Feminismus verwickeln, in der sie erst nicht genau wusste, ob sie sich "mit dieser Feder schmücken" sollte; dann, nach dem Bekenntnis von Lagarde, Trump, Freeland und Königin Maxima, hob sie die Hand, um anzukündigen, sie nehme jedenfalls die Anregung mit, "dass ich jetzt verstärkt darüber nachdenken werde, ob ich Feministin bin". Dieses Nachdenken dürfte schnell von der Freude überlagert worden sein, dass die Frauenrunde aus Merkels Sicht insgesamt ein recht erfreuliches Resultat erbracht hatte. Ivanka Trump, älteste Tochter des US-Präsidenten und seit Kurzem auch offiziell seine Beraterin, saß zwar zeitweilig unnahbar wie eine Wachsfigur unter den erfahrenen Führungskräften; sie zeigte aber immer wieder ihre Freude, überhaupt auf dieser international beachteten Bühne sitzen zu dürfen, auf der es um Macht, Jobs und Geld für Frauen ging. Sollte Vater Donald Trump zugeschaut haben, was wahrscheinlich ist, weil er auf Twitter seine Tochter für ihren Auftritt schon vorab lobte und er außerdem bekanntermaßen oft fernsieht, dürfte er zufrieden gewesen sein.

Und Merkel eben auch, wenngleich eher im Stillen. Denn dass die Bundeskanzlerin die Tochter des Präsidenten, die bis zum Einzug ins Weiße Haus ein Modelabel betrieb, an einen Tisch setzte mit weltweit anerkannten Frauen in Führungspositionen, deutet auf die Strategie hin, mit der sie das Vertrauen des US-Präsidenten gewinnen will. Sie fördert die Person, die dem Präsidenten sehr nahesteht.

Im März soll die Tochter gezielt die Nähe Merkels gesucht haben

Diese Strategie, so erzählen Diplomaten in den USA, wurde schon vor Merkels Reise nach Washington im März erwogen. Ihr erster Besuch im Weißen Haus brachte schließlich die Gewissheit, dass es zwar unorthodox, aber erfolgversprechend sein könnte, den Weg zu Donald Trump über seine Tochter zu suchen. Das Bundeskanzleramt hatte damals angeregt, die US-Administration über das deutsche Ausbildungssystem zu informieren. Ivanka Trump persönlich soll ein paar Tischkärtchen vertauscht haben, um direkt neben Merkel sitzen zu können. US-Diplomaten sahen das mit Sorge, schließlich hatte die älteste Tochter damals noch kein offizielles politisches Amt inne. Doch das Kanzleramt war zufrieden. Fotos zeigen, wie der Blick des Vaters wohlwollend auf der Tochter ruht, die vertraulich mit der dienstältesten Regierungschefin Europas spricht.

Merkel reagierte, indem sie Trumps Tochter den Weg ebnet auf die internationale Bühne. Zwar habe Merkel Trump nicht direkt zum W-20-Gipfel eingeladen, sagt ihr Sprecher vor der Veranstaltung. Die Kanzlerin sei jedoch "nicht ganz unschuldig daran", dass die Präsidententochter schließlich nach Berlin flog, per Linienmaschine aus New York. Im Weißen Haus heißt es, Ivanka Trump habe sich akribisch auf diesen Termin vorbereitet. Und zwar nicht symbolisch, sondern inhaltlich. Sie habe Analysen von Unternehmensberatern wie McKinsey über die Beschäftigung von Frauen gelesen, weniger an den Worten ihrer Rede gefeilt.

Die erste Frage, die Trumps Tochter auf dem Podium beantworten muss, ist allerdings die nach ihrer eigenen Rolle. Es sei in Deutschland schwer zu begreifen, dass die US-Regierung als Familienbetrieb organisiert sei, sagt die Moderatorin. Ob sie aufklären könne, in welcher Rolle sie in Berlin auftrete: als Unternehmerin, als Beraterin oder als Tochter? Trump reagiert freundlich. Ihre Aufgabe als Beraterin sei für sie ebenfalls noch recht neu, eine große Herausforderung zudem. Sie freue sich über die Gelegenheit, in Berlin zu sein und zuzuhören. Sie werde die Anregungen mit zurück in die USA nehmen, "zu meinem Vater, dem Präsidenten".

Merkel dürfte das freuen. Trump hatte im Wahlkampf gegen sie ausgeteilt, sie "verrückt" genannt. Inzwischen tauschen sich beide in Telefonaten aus. Aber Merkel möchte mehr, sie will eine gemeinsame Aufgabe mit Trump finden. Und so kommt es nicht überraschend, dass sie in der Runde vorschlägt, einen internationalen Frauen-Fördertopf zu gründen. Die First Daughter sagt noch auf dem Podium zu. Gut möglich, dass Ivankas Ja Merkel motiviert, sich doch noch als Feministin zu bekennen.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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