Trends:Späte Mütter

Lesezeit: 2 min

Immer mehr Frauen bekommen erst mit 40 Jahren Kinder. Warum eigentlich?

Felix Berth

Die Geburtenraten der Bundesrepublik sind seit den frühen siebziger Jahren von beinahe betonierter Gleichmäßigkeit. Durchschnittlich 1,3 Kinder bringt eine Frau zur Welt; dieser Wert ist seit dem "Pillenknick" so stabil, dass sich in den jährlichen Statistiken meist nur die zweite Stelle hinter dem Komma ändert.

Doch das Gebärverhalten der Frauen bleibt mitnichten konstant: Immer mehr Frauen bekommen ihre Kinder immer später, wie sich mit Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen lässt. So waren im Jahr 2004 erstmals mehr als zwanzig Prozent der Mütter bei der Entbindung älter als 35 - in einem Alter also, in dem die Gynäkologen automatisch von "Risikoschwangerschaften" sprechen. Diese Gruppe der Mütter wächst seit langem; hält dieser Trend an, hat bald jedes vierte Baby eine Mutter, die älter als 35 ist.

In Großstädten ist dieser Wert längst überschritten. Für München ermittelte das Statistische Amt jetzt, dass im Jahr 2005 etwa 29 Prozent der Gebärenden älter als 35 waren. Auch die Zahl der Mütter, die bei der Geburt die vierzig überschritten haben, steigt rapide: 2005 zählten in München schon fünf Prozent der Mütter zu dieser Gruppe. Auf Bundesebene ist diese Entwicklung ebenfalls feststellbar: Fast jedes dreißigste Neugeborene der Republik hat eine Mutter jenseits der vierzig.

Auch medizinischer Fortschritt spielt Rolle

Das Aufschieben des Kinderkriegens, das sich auch in anderen europäischen Ländern zeigt, hat nach Ansicht von Demografen zwei Ursachen: Erstens machen sich lange Ausbildungszeiten bemerkbar; wer auf einen Abschluss hinarbeitet, denkt selten an Nachwuchs. Zweitens diskutieren Sozialwissenschaftler, ob die Entwicklung mit den wachsenden Unsicherheiten in der Arbeitswelt zusammenhängt. "Bei Männern führt Arbeitslosigkeit dazu, dass Vaterschaft aufgeschoben wird", sagt Michaela Kreyenfeld vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung. Trotzdem passe diese Erklärung nicht immer: "Eine Akademikerin kalkuliert vielleicht, dass sie ihre Kinder erst nach gelungenem Berufseinstieg bekommt." Frauen ohne Schulabschluss verhalten sich nach Kreyenfelds Untersuchungen oft anders: "Haben sie keine feste Stelle, steht für sie weniger auf dem Spiel; sie entscheiden sich deshalb nicht gegen Kinder."

Auch der medizinische Fortschritt spielt eine Rolle: Künstliche Befruchtungen werden erfolgreicher und alltäglicher; auch die Pränatal-Diagnostik vermittelt den Müttern mehr Sicherheit. Die Ärzte raten entsprechend häufiger zum Kaiserschnitt: "Bei einer älteren Mutter wird jeder Arzt noch stärker versuchen, Risiken auszuschließen, auch aus Angst vor Schadensersatzforderungen", sagt Heinz Michael Mörlein vom Verband der Frauenärzte. Die deutsche Kaiserschnitt-Rate stieg in den letzten zehn Jahren von 17 auf 27 Prozent, so das Statistische Bundesamt.

Die neuen Daten relativieren auch die beliebte Aussage, dass vierzig Prozent der Akademikerinnen kinderlos blieben. Diese Rechnung bezieht sich nämlich auf die Gruppe der 35- bis 39-jährigen Hochschulabsolventinnen. Betrachtet man dagegen die 40- bis 44-Jährigen, wie es Statistiker vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung empfehlen, sinkt die Quote auf 30 Prozent. Wer über Kinderlosigkeit spricht, sollte die späten Mütter also nicht aus dem Blick verlieren.

© SZ vom 20.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: