Treffen mit den Wirtschaftsverbänden:Schröder hält an Lehrstellen-Abgabe fest

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Die Bundesregierung riskiert mit ihrer geplanten Ausbildungsplatzabgabe einen massiven Streit mit der Wirtschaft.

Von Norbert Sturm und Nico Fried

Bundeskanzler Gerhard Schröder machte nach einem Treffen mit den Spitzenvertretern der Wirtschaftsverbände am Rande der Internationalen Handwerksmesse in München klar, dass er an dieser Umlage festhalte, solange Unternehmen nicht ihrer Ausbildungspflicht nachkämen.

Die werde im Augenblick jedenfalls nicht erfüllt.

Ähnlich äußerte sich auch der designierte SPD-Chef Franz Müntefering: "Es muss genügend Ausbildungsplätze geben, dann bleibt das Gesetz in der Schublade. Wenn die Unternehmer das wollen, gelingt das auch", sagte Müntefering der Süddeutschen Zeitung.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, bezeichnete das Vorhaben dagegen als bürokratische Fehlsteuerung. Er meinte, die Wirtschaft könne das Problem der fehlenden Lehrstellen selbst lösen.

Dass 90000 Schulabgänger nicht ausbildungsreif gewesen und deshalb womöglich ohne Lehrstelle geblieben seien, könne nicht der Wirtschaft angelastet werden. Darum müsse sich die Politik kümmern.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wies auf die neu abgeschlossenen 500000 Lehrverträge im Jahr 2003 hin. 98 Prozent der Schulabgänger hätten einen Ausbildungsplatz erhalten. Die Wirtschaft erwarte, in diesem Jahr ähnliche Ergebnisse erreichen zu können.

Rogowski betonte im Gespräch mit der SZ, dass er deshalb nicht an die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe glaube, selbst dann nicht, wenn ein entsprechendes Gesetz durch das Parlament verabschiedet werden sollte.

Er deutete an, dass die Wirtschaftsverbände Schröder als Privatperson vom Unsinn der Abgabe überzeugt hätten, der Kanzler aber aus politischer Rücksichtnahme auf seine Partei daran festhalte.

Schröder widersprach dem; er sei falsch interpretiert worden. Handwerkspräsident Dieter Philipp warf der Bundesregierung dennoch Doppelzüngigkeit vor.

Müntefering wehrt sich

Während der Kanzler und sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement signalisierten, dass sie gegen die Abgabe seien, gebe die Regierung ein Gesetz zu deren Einführung in Auftrag.

Müntefering verwahrte sich unterdessen auch gegen Kritik vor allem aus den Reihen der SPD-Ministerpräsidenten.

"Ich rate allen, den Gesetzentwurf abzuwarten. Dann kann man darüber reden." NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück hatte die Umlagepläne als "etatistischen Reflex" abgelehnt.

Dazu sagte Müntefering: "Was ich vorschlage, ist nicht hinterwäldlerisch, sondern eine Einsicht in die Notwendigkeit, den Sockel an jungen Menschen ohne Arbeit nicht wachsen zu lassen."

Über die Notwendigkeit weiterer Reformen waren sich Schröder und die Wirtschaftsvertreter einig.

Wegen des internationalen Wettbewerbsdrucks und der Alterung der Gesellschaft sei kein anderer Weg zur Wohlstandssicherung möglich, meinte Schröder.

© SZ vom 6.3. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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