Tote Deutsche in Afghanistan:Die Macht der Gewöhnung

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Erneut sind deutsche Soldaten in Afghanistan durch ein Selbstmordattentat gestorben - das war nur eine Frage der Zeit. Die Reaktionen in Deutschland sind erstaunlich gedämpft.

Peter Blechschmidt

Es war nur eine Frage der Zeit, wann es wieder Opfer unter den deutschen Soldaten in Afghanistan geben würde. Auch wenn der Selbstschutz für die Bundeswehr im Einsatz ganz oben ansteht, hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Das wissen auch die Soldaten. Dennoch fahren sie hinaus, dorthin, wo Selbstmordattentäter, Minen und Sprengfallen lauern, wie jetzt wieder in der Nähe von Kundus.

Erneut haben zwei deutsche Soldaten den Einsatz in Afghanistan nicht überlebt (Foto: Foto: dpa)

In der deutschen Öffentlichkeit fallen die Reaktionen auf die sich häufenden Angriffe auf die Bundeswehr in Afghanistan bislang erstaunlich gedämpft aus. Auch die Verlängerung des Bundestagsmandats für den deutschen Einsatz im Rahmen der Internationalen Schutztruppe Isaf in der vorigen Woche ging geräuschlos über die Bühne, was natürlich auch daran lag, dass die Bankenkrise alles überlagerte. Die Soldaten aber haben in zunehmendem Maße den Eindruck, dass den Menschen zu Hause der Einsatz in Afghanistan herzlich egal ist.

Andererseits - wenn die deutsche Politik dem regelmäßig auf der Linken auftauchenden Reflex der Forderung nach einem Abzug aus Afghanistan nachgeben würde, spielte sie damit nur den Taliban in die Hände. Die Steinzeit-Fundamentalisten zielen mit ihren Angriffen nicht nur auf die Soldaten im Einsatz, sondern mehr noch auf die öffentliche Meinung in deren Heimatländern.

Doch gerade der Anschlag vom Montag zeigt zweierlei: Skrupellos nehmen die Taliban sogar den Tod der eigenen Kinder in Kauf bei dem Versuch, unter der einheimischen Bevölkerung Stimmung gegen die ausländischen Soldaten zu machen. Und sie zeigen, wie illusionär die Vorstellung ist, man könne zivilen Aufbau ohne militärischen Schutz voranbringen.

Wenn man sich in Deutschland streitet, ob in Afghanistan nun Krieg herrscht oder nicht, so hilft das den Soldaten im Einsatz nicht weiter. Sie wünschen sich, dass man sich in der Heimat darüber im Klaren ist, dass es für sie um Kampf geht, um Leben und Tod. Sie wollen die bestmögliche Ausrüstung, angemessene Fürsorge für sich und ihre Angehörigen, und sie wollen jenen moralischen Rückhalt, von dem sie glauben, dass sie ihn verdienen.

© SZ vom 21.10.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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