Tornado-Aufklärungsflugzeuge:Gehen oder bleiben

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Seit sich die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei verschlechtert haben, wird über den Verbleib der Bundeswehr am Standort Incirlik diskutiert. Mögliche Ausweichstandorte sind Jordanien oder Zypern.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Debatte über den Verbleib der deutschen Tornado-Flugzeuge auf der türkischen Basis Incirlik ist erneut aufgeflammt. "Wir haben immer schon gesagt, dass wir uns nach alternativen Standorten umschauen müssten, wenn die Türkei den Abgeordneten des Bundestags weiterhin den Besuch bei den deutschen Soldaten in Incirlik verwehren sollte", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich der Süddeutschen Zeitung. "Das ist doch eine Selbstverständlichkeit."

Anlass waren Äußerungen des SPD-Verteidigungspolitikers Rainer Arnold, der im Gespräch mit Spiegel Online eine Verlängerung des Mandats für den Fall ausgeschlossen hatte, "dass der Besuch bei den Soldaten nicht möglich gemacht wird". Die Bundesregierung müsse "umgehend andere Standorte für die deutschen Soldaten abklären". Ähnlich hatte sich Arnold bereits Anfang August geäußert. Schon damals hatte er eine Verlegung der Aufklärungs- Tornados als "absolut notwendig" bezeichnet, falls sich die Situation nicht ändere.

Von der Nato-Basis fliegen deutsche Tornados Aufklärungsflüge im Kampf gegen den IS in Syrien. (Foto: Falk Bärwald/dpa)

Im Oktober wollen deutsche Abgeordnete einen neuen Versuch starten, die Basis zu besuchen

Hintergrund des Streits ist, dass die Türkei seit der vom Bundestag im Juni beschlossenen Armenier-Resolution Besuche deutscher Parlamentarier bei den Bundeswehrsoldaten in Incirlik abgelehnt hat. In der Resolution werden die Verbrechen an der armenischen Minderheit in den Jahren 1915/1916 als Völkermord bezeichnet. Die Türkei und insbesondere Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatten darauf äußerst verärgert reagiert. In Incirlik sind die deutschen Tornados stationiert, die über Syrien und Irak zum Einsatz kommen.

Bereits im Juni hatte der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn angesichts der Eskalation gefordert, "über alternative Standorte der Aufklärungs-Tornados" nachzudenken. Als Beispiel hatte er den Stützpunkt in Amman, Jordanien, genannt. Tatsächlich hatte die Bundeswehr vor der Entscheidung für Incirlik auch andere Standorte geprüft. Allerdings wurde in Militärkreisen betont, dass Incirlik am besten geeignet sei, was etwa Lage und logistische Voraussetzungen angehe.

Entsprechend äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Was Incirlik betrifft, so hat die Bundeswehr dort sehr gute Bedingungen vorgefunden und operiert erfolgreich von diesem Stützpunkt", sagte sie. "Und ich gehe davon aus, dass das auch künftig so sein wird, dass von Incirlik aus Einsätze der Anti-IS-Koalition geflogen werden können." Dazu gehöre es, dass Abgeordnete Incirlik besuchen könnten. "Und darüber werden mit der Türkei Gespräche geführt." Ähnlich äußerte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zur Frage, ob die Bundeswehr auf einen möglichen schnellen Abzug vorbereitet sei, sagte sie: "Kluge militärische Planung sieht immer auch Ausweichmöglichkeiten vor." Auch in Militärkreisen wurde betont, man müsse in jedem Fall Vorsorge treffen, daher prüfe man selbstverständlich Alternativen. Als Ausweichstandort käme wohl auch noch Zypern infrage. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sagte der SZ: "Wenn es am Ende keine Besuchserlaubnis gibt, dann können wir weder Awacs-Flugzeuge in der Türkei stationieren, noch das Tornado-Mandat verlängern." Bis dahin würden aber "noch viele Gespräche" geführt. "Ein positives Ergebnis ist nach wie vor möglich." Eine Entscheidung dürfte im September fallen. Für Oktober ist eine Reise von Abgeordneten nach Incirlik geplant. Alles hängt davon ab, ob die Türkei sie ermöglicht.

Optimistisch äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok. "Ich habe das Gefühl, dass die Dinge auf einem guten Weg sind, was Besuche von Bundestagsabgeordneten auf der Militärbasis Incirlik angeht", sagte er dem Focus. Laut Agenturberichten äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament nach einem längeren Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım. "Es war mein klarer Eindruck, dass die Türkei den Weg nach Europa anstrebt", sagte Brok demnach. Nachdem der Streit im Juni eskaliert war, hatte die türkische Seite zwar eine Reise von Ministerin von der Leyen nach Incirlik ermöglicht, den Besuch von Abgeordneten aber weiter abgelehnt. Auch von der Leyen hatte hier keine Veränderung bewirken können, ebenso wenig wie Kanzlerin Merkel.

Die Grünen forderten ebenfalls den Abzug für den Fall, dass es bei der Ablehnung bleibe. "Wenn endgültig feststeht, dass den Abgeordneten der Zugang nach Incirlik weiter verwehrt wird, sollte die Bundesregierung den Abzug schnellstmöglich in die Tat umsetzen", sagte die Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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