Todesschüsse-Prozess:Ein Jahr Bewährung für ehemalige SED-Politbüromitglieder

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Das Berliner Landgericht hat zwei frühere ranghohe DDR-Funktionäre der Beihilfe zu dreifachem Mord Ende der Achtzigerjahre für schuldig befunden. Mit diesem Urteil endet der vermutlich letzte Prozess wegen der Todesschüsse an Mauer und Stacheldraht.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung gefordert.

Bei einem Verstoß gegen die Bewährungsauflagen müssen Hans-Joachim Böhme und Siegried Lorenz laut Urteil für ein Jahr und drei Monate hinter Gitter.

Die neue Verhandlung gegen den 74-jährigen Böhme und den 73-jährigen Lorenz war notwendig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch des Berliner Landgerichts aus dem ersten Prozess gegen die beiden aufgehoben hatte.

Nach Auffassung des Gerichts sind Lorenz und Böhme als damalige Mitglieder des höchsten Entscheidungsgremiums der DDR mitverantwortlich für den Tod von drei DDR-Flüchtlingen, die in den Jahren 1986, 1987 und 1989 von Grenzsoldaten an der Berliner Mauer erschossen wurden. Sie hätten es unterlassen, auf eine Humanisierung des Grenzregimes hinzuwirken, hieß es.

Birthler spricht von "wichtigem Stück Aufarbeitung"

Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten, Marianne Birthler, wertete diesen letzten Politbüroprozess als "wichtiges Stück Aufarbeitung". Im inforadio in Berlin sagte sie, sie halte es für richtig, dass auch auf oberster Ebene nach Verantwortlichen gesucht worden sei. Es sei nicht nur um das Verhalten der Mauerschützen gegangen, sondern auch um diejenigen, die politische Verantwortung getragen hätten.

Das Landgericht hatte die Angeklagten im so genannten zweiten Politbüro-Prozess 2000 mit der Begründung freigesprochen, sie könnten im Zusammenhang mit den Mauertoten nicht wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt werden. Ihnen habe nicht nachgewiesen werden können, dass sie die Toten an der innerdeutschen Grenze hätten verhindern können, hatte das Gericht damals geurteilt.

Der BGH hob dieses Urteil 2002 mit der Begründung auf, die Angeklagten könnten sich nicht darauf berufen, dass sie mit Bemühungen um eine Humanisierung des Grenzregimes wahrscheinlich an einer andersdenkenden Mehrheit im Politbüro gescheitert wären.

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