Thüringen:Tabubrüche und Teufel an der Wand

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Vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag blühen die Koalitionsspekulationen.

Von Jens Schneider und Nico Fried

Eigentlich wird in der derzeit wichtigsten Frage der Thüringer Politik nur noch der PDS voll und ganz geglaubt. Und der FDP, aber die hatte lange niemand auf der Rechnung. Freilich haben es PDS und FDP leicht. Wenn über Regierungsbündnisse spekuliert wird, sind ihre Optionen eindeutig. Die FDP käme nur als Junior-Partner der CDU in Frage.

Für die PDS gibt es allein die Möglichkeit, mit der SPD und eventuell den Grünen zusammenzuarbeiten. Das bietet ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow - der sich mit sachkundiger Oppositionsarbeit im Landtag Respekt erworben hat - unberührt von allen Dementis der möglichen Partner an.

Das ist aber auch schon das Ende aller Gewissheiten. SPD, CDU und auch die Grünen mögen tapfer beteuern, was sie alles nicht tun würden. Die Spekulationen über spektakuläre Bündnisse reißen nicht ab - von Schwarz-Grün bis hin zu Rot-Rot-Grün. Offiziell bleiben nach allen Dementis nur zwei Möglichkeiten: Entweder die CDU kann ihre absolute Mehrheit erhalten und allein regieren.

Dazu könnten auch deutlich weniger als 50 Prozent der Stimmen reichen, wenn Grüne und FDP - wie bei den letzten Wahlen - an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Wenn die CDU aber die absolute Mehrheit verfehlt, bietet sich die SPD als Partner an. Schon von 1994 bis 1999 regierte man gemeinsam.

Sowohl Ministerpräsident Dieter Althaus als auch die Grünen-Spitze im Land lehnen hingegen eine Zusammenarbeit kategorisch ab. Beide Seiten verweisen auf den geringen Bestand an inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Zwar schätzen die aus Thüringen stammende Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion Katrin Göring-Eckardt und Ministerpräsident Althaus einander als reformorientierte, unideologische Politiker.

Doch die Achtung reiche nicht für gemeinsame Pläne, betont Althaus. Ihn hat es wenig gefreut, dass sich inzwischen ein namhafter Thüringer Unternehmer für Schwarz-Grün aussprach. Und auch Göring-Eckardt erklärte eine solche Koalition in mehreren Interviews für ausgesprochen unwahrscheinlich.

Berliner Planspiele

Je enger es in den Umfragen für Althaus geworden ist, desto deutlicher warnt er, dass die Absagen von SPD und Grünen an die PDS keinen Bestand haben würden. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Bundeschefin der CDU, Angela Merkel. Sie verspricht sich vom rot-rot-grünen Gespenst vor allem eine letzte Mobilisierung der eigenen Partei.

Insgesamt freilich wird auf Bundesebene hie und da etwas anders gedacht als im Land. Merkel wird durchaus eine Neigung zu Schwarz-Grün nachgesagt. Für sie hätte das den Vorteil, dass sie den bisher einzigen potenziellen Koalitionspartner FDP disziplinieren könnte.

Auch bei den Grünen liebäugeln manche mit dem Tabubruch. Dahinter steckt die Überlegung, eine Koalition mit der CDU könne die Partei langfristig aus der Gefangenschaft der SPD befreien. Freilich verfolgen vor allem einige selbst ernannte Strategen diese Option, deren Überzeugungskraft an der grünen Basis hingegen noch sehr zweifelhaft ist. Lediglich in der SPD sind die Ansichten in Bund und Land ziemlich deckungsgleich.

Aus Sicht der Sozialdemokraten in Berlin wie auch des Spitzenkandidaten Christoph Matschie wäre im Zweifel eine große Koalition wünschenswert. Für die Bundesregierung hätte dies den Vorteil, das Thüringen im Bundesrat neutralisiert wäre und die Union Siege in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen bräuchte, um eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Länderkammer zu erreichen, mit der sie Rot-Grün im Bund endgültig blockieren könnte.

Matschie macht keinen Hehl daraus, dass er nicht aus grundsätzlichen Erwägungen gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS ist. Deren Spitzenkandidaten Ramelow betrachtet er durchaus mit Respekt. Aber hinter Ramelow habe die PDS alte Kader mit Stasi-Vergangenheit platziert.

Mit so einer Partei könne er, der als Pfarrerssohn in der DDR nicht Medizin studieren durfte, nicht zusammenarbeiten. Vor allem aber spürt Matschie, dass eine Kooperation mit der PDS - in einem Land, in dem es keine absolute Wechselstimmung gibt - keine Chance hätte.

Regierungschef Althaus steht in Thüringen nicht allein mit seiner These, dass die SPD eben notfalls ohne ihren Landesvorsitzenden ins rot-rote Bündnis gehe. Für diesen Fall wird der Name des früheren Innenministers und Landeschefs Richard Dewes in Spiel gebracht, dessen taktisches Spiel Thüringens SPD vor fünf Jahren fast zerrissen hatte.

Damals hatte sich Dewes als Spitzenkandidat die Option einer Kooperation mit der PDS offen gehalten, die Sozialdemokraten fielen noch hinter die PDS zurück. Dewes hat sich weitgehend zurückgezogen und ist mit kleineren Aufständen gegen seinen Nachfolger Matschie nicht weit gekommen. Nun fällt sein Name wieder häufiger - aber eben vor allem aus dem Mund der politischen Gegner, die einen Teufel an die Wand malen wollen.

© Süddeutsche Zeitung vom 7. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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