Tarifstreit:Buhmänner und Brandstifter

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Der öffentliche Dienst streikt seit über fünf Wochen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Beide Seiten sind beschädigt - und die Bürger genervt.

Nina Bovensiepen

Mit klaren Feindbildern lebt es sich gut, und daher mag sich mancher freuen, dass die Rolle des Buhmannes im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes spätestens seit dem Wochenende eindeutig zugeteilt ist.

Der Arbeitskampf stellt die Harmonie in der großen Koalition auf die Probe. (Foto: Foto: dpa)

Brandstifter, Hardliner, Ideologe - all dies muss sich der Verhandlungsführer der Bundesländer, Hartmut Möllring, schimpfen lassen, weil er ein Spitzentreffen mit der Gewerkschaft Verdi spektakulär platzen ließ. Und da nun sogar Vertreter der eigenen Seite über Möllring herfallen, muss ja etwas dran sein an der Kritik - mag man denken.

Doch das greift zu kurz, um den Streit zu erklären. In dem Arbeitskampf geht es längst um mehr als um 18 Minuten Mehrarbeit am Tag. Derzeit findet eine Machtprobe statt, in der es um die Zukunft der Tarifpartnerschaft und die Rolle der Gewerkschaften geht.

Aus leeren Kassen lässt sich nichts verteilen

Darin sind die Fronten nicht mehr klar verteilt, jene mit Verdi auf einer und den Arbeitgebern auf der anderen Seite. Stattdessen verläuft ein Graben mitten durch das Arbeitgeberlager. Dieses ist gespalten in solche, vor allem sozialdemokratische, Vertreter, die den Streit gerne klassisch lösen würden: Jeder gibt ein bisschen nach, und am Ende steht ein Kompromiss, der alle das Gesicht wahren lässt.

Die andere Seite, von CDU-Mann Möllring repräsentiert, stellt diese Tradition zur Disposition. Wenn die Kassen leer sind, gibt es nichts zu verteilen, beharren Möllring, CSU-Chef Edmund Stoiber und Co. Diese Konstellation könnte für die große Koalition problematisch werden, denn sie zeigt das unterschiedliche Verhältnis von SPD und Union zu den Gewerkschaften.

Angesichts der schwarz-roten Harmonie machte es sich aber nicht gut, wenn die Tarifgemeinschaft der Länder in einen SPD- und einen unionsgeführten Teil zerfallen würde.

Die Tarifeinheit bröckelt

Noch bedrohlicher ist die neue Situation aber für Verdi. Ein Ziel des Arbeitskampfes ist es, die Bundesländer in den Tarifverbund mit Bund und Kommunen zurückzuzwingen. Die zerbrochene Tarifeinheit hat die Verhandlungs- und Streikkraft der Gewerkschaft geschwächt.

Das hat sich auch in den vergangenen Wochen gezeigt: Wenn 30 000 Beschäftigte in Landesbehörden und Staatstheatern ihre Arbeit niederlegen, beeindruckt das die Bürger wenig. Viel sichtbarer ist ein Arbeitskampf, der außer den Ländern noch den Bund und vor allem die Kommunen erfasst. Wenn Müllabfuhr und öffentlicher Nahverkehr zusammenbrechen, spüren das die Menschen sofort.

Statt seinem Ziel näher zu kommen, hat Verdi-Chef Frank Bsirske bisher aber das Gegenteil erreicht: Die Tarifeinheit droht noch mehr zu bröckeln. Zudem sinkt in der Bevölkerung und selbst bei Gewerkschaftern das Verständnis für den Arbeitskampf. Es war nicht gerade fein von Möllring, dass er Verdi bei einem Spitzentreffen vorgeführt hat, das von vornherein nicht auf einen Kompromiss zielte. Schuld an der verfahrenen Situation ist aber die Gewerkschaft selbst. Sie hat ein Feuer entfacht, das sie nun nicht mehr in den Griff bekommt.

© SZ vom 13.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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