Taliban:"Tausende Jugendliche werden al-Sarkawis Kampf fortführen"

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Der untergetauchte Taliban-Führer Mullah Omar ist davon überzeugt, dass der Tod al-Sarkawis kein Ende der "Widerstandsbewegung" im Irak darstellt. George Bush sieht das offenbar ähnlich.

Der Westen und viele Menschen im Irak haben mit Freude und Erleichterung auf den Tod des Top-Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi reagiert.

Der untergetauchte Taliban-Führer Mullah Omar dagegen ist davon überzeugt, das nach dem "Märtyrertum" des al-Qaida-Führers tausende Jugendliche den Kampf fortführen werden.

Der Tod al-Sarkawis stelle keine Schwächung der "Widerstandsbewegung" im Irak dar, hieß es in einer in Pakistans Medien verbreiteten Erklärung Omars.

"Der von al-Sarkawi begonnene Kampf ist eine Volksbewegung, und jeder Jugendliche hat das Potenzial, al-Sarkawi zu werden."

In der Erklärung hieß es zum Tod al-Sarkawis weiter: "Ich will den Muslimen in der ganzen Welt die gute Nachricht zukommen lassen, dass solche Vorkommnisse den anhaltenden Kampf gegen die Kreuzritter in Afghanistan und in anderen Teilen der Welt nicht schwächen werden."

Jeder muslimische Jugendliche werde diesen Kampf fortführen, um seinen Glauben, seine Ehre und seine Würde zu verteidigen. Mullah Omar drückte der Familie al-Sarkawis in seinem und im Namen des afghanischen Volkes Beileid aus.

Mullah Omar ist seit dem Sturz der Taliban in Afghanistan Ende 2001 untergetaucht. Er wird ebenso wie al-Qaida-Führer Osama bin Laden im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet vermutet.

Sarkawis Bedeutung ist noch unklar

Wie wichtig al-Sarkawi für den Kampf der islamistischen Fundamentalisten tatsächlich war, ist nicht ganz klar - deshalb lässt sich auch nicht genau vorhersagen, welche Bedeutung sein Tod hat.

Schließlich war der gebürtige Jordanier, der zwei amerikanische Geiseln persönlich geköpft haben soll, insbesondere wegen seiner in Videos festgehaltenen Brutalität in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten.

Durch seine Präsenz war der Eindruck entstanden, Anschläge und Gewalttaten der Aufständischen im Irak würden mehr oder weniger von ihm allein koordiniert. Dies halten die meisten Experten jedoch für unwahrscheinlich.

Möglich ist sogar, dass sich sunnitische Rebellengruppen durch die gegenwärtige Führungslosigkeit der al-Qaida im Irak gestärkt sehen und ihre eigenen Aktivitäten verstärken.

"Diese Gruppen werden durch al-Sarkawis Tod nicht direkt beeinträchtigt", warnt etwa Anthony Cordesman, ein ehemaliger Experte im US-Verteidigungsministerium. "Al-Qaida ist ein besonders sichtbarer und außergewöhnlich brutaler Kader innerhalb einer großen Gruppe verschiedener Rebellenbewegungen."

Die Saat der Gewalt ist aufgegangen

Lebend oder tot - die Saat der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten im Irak, die al-Sarkawi bereits jetzt gesät hat, ist längst aufgegangen. Der Hass, den auch Al-Sarkawi und seine Schergen verbreitet haben, ist allgegenwärtig.

Schon jetzt ist die Zahl der Iraker, die von Angehörigen der jeweils anderen Religionsgruppe ermordet werden, höher, als die Zahl der Toten durch Anschläge militanter Islamistengruppen.

Auch die Zahl der US-Soldaten, die jeden Monat im Irak stirbt, wird durch den Tod des meistgesuchten Terroristen des Irak wohl nicht niedriger werden. Denn nach Informationen von Beobachtern vor Ort richten sich die Angriffe seiner Gruppe "Al-Qaida im Zweistromland" in erster Linie gegen irakische Ziele und nicht gegen die US-Armee.

Die täglichen Angriffe auf ihre Patrouillen mit Sprengsätzen "Marke Eigenbau" gehen hauptsächlich auf das Konto irakischer Gruppen, von denen einige unter dem Regime von Saddam Hussein in der Armee, im Geheimdienst oder der Polizei gedient hatten.

Dieser Tatsache ist sich zweifellos auch US-Präsident Bush bewusst. Als er die erste Kunde von Sarkawis mutmaßlichem Tod erhielt, soll er nur gesagt haben: "Das wäre eine gute Sache." Gelacht oder gelächelt habe der Präsident nicht, sagte sein Sprecher Tony Snow.

Ein zurückhaltender Bush

Eher habe Bush erleichtert gewirkt, dann habe er sich sehr genau nach den Einzelheiten des Luftangriffs erkundigt. Um 21.20 Uhr Ortszeit erhielt Bush die Bestätigung, al-Sarkawi sei anhand von Fingerabdrücken, Tätowierungen und Narben identifiziert worden. Erst am nächsten Tag trat der Präsident vor die Presse.

Der Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses stand in scharfem Kontrast zu Bushs triumphaler Landung auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln am 1. Mai 2003, als der Präsident unter einem riesigen Banner mit der Aufschrift "Mission Accomplished" das offizielle Ende der Kampfhandlungen im Irak verkündete.

Zwar bezeichnete Bush al-Sarkawis Tod als bedeutenden Sieg im Kampf gegen den Terror, er schränkte jedoch sofort ein: "Wir müssen damit rechnen, dass die Terroristen und Aufständischen auch ohne ihn weitermachen werden."

Ähnlich äußerte sich der US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad. "Sarkawis Tod allein wird die Gewalt im Irak nicht beenden", sagte der gebürtige Afghane. "Aber er ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung."

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