SZ-Magazin:Die Frau ohne Eigenschaften

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Zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl in den USA haben die Demokraten alle Chancen, die neue Regierung zu stellen. Wäre da nicht Hillary Clinton.

Lars Jensen

Anfang April bekam ich Post von Hillary Clinton. Die New Yorker Senatorin stellte sich mir als Hillary vor und bat um Unterstützung "im richtungsweisenden Wahljahr 2006", fünfzig Dollar würden schon etwas ausmachen.

Hillary Rodham Clinton (Foto: Foto: AP)

Außerdem solle ich einige Fragen beantworten. Die Partei, schrieb Hillary, wolle erfahren, welche Ideen demokratische Vordenker für die anstehenden Zwischenwahlen haben. Auf dem Bogen standen Fragen wie: Sollen die USA die Truppen sofort aus dem Irak abziehen oder warten, bis sich die Lage stabilisiert hat?

Der letzte Punkt lautete: "Raum für weitere Vorschläge". Seit ich 2004 den Fehler gemacht habe, ein John-Kerry-T-Shirt zu bestellen, führt das Democratic National Committee, kurz DNC, die Wahlkampfmaschine der Demokraten, Leute wie mich als Vordenker. Das ist schon mal kein gutes Zeichen.

Die Demokraten sind nervös. Im November finden die wichtigsten Zwischenwahlen der jüngeren amerikanischen Geschichte statt: Dann stehen die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 33 von hundert Senatoren zur Wahl.

Angesichts der inzwischen katastrophalen Umfragewerte der Republikaner könnten die Demokraten erstmals seit 1994 wieder die Mehrheit im Kongress erobern und Bush damit de facto entmachten.

Ein Traum vieler Amerikaner: Die Bush-Regierung könnte nicht länger mit Hilfe einer republikanischen Kongressmehrheit beliebig Gesetze verabschieden, ultrareligiöse Richter in Bundesgerichten installieren oder Untersuchungsausschüsse für die Skandale von New Orleans bis Abu Ghraib blockieren.

John Dean, der ehemalige juristische Berater der Regierung Nixon und also selber Republikaner, sagt: "Ich hoffe, dass die Wähler die diktatorischen Verhältnisse abschaffen."

Sparen für 2008

Außerdem ist die Wahl ein Test für 2008: Hat der Liberalismus überhaupt noch eine Basis in der amerikanischen Gesellschaft? Laut einer Umfrage des Wall Street Journal hoffen 48 Prozent der Amerikaner auf eine Wende im Kongress, während 39 Prozent dagegen sind. Das sind die besten Werte für die Demokraten seit mehr als einem Jahrzehnt.

Allein sie selbst können ihren Erfolg verhindern. Und im Moment sieht es so aus, als würden sie alles dafür tun. Symptomatisch für ihr Gewurstel ist Hillarys Fragebogen: Als Senatorin des Bundesstaates New York sammelt sie für das DNC zwar Wahlkampfspenden ein, doch das Geld wird sie in diesem Wahlkampf nicht zum Nutzen der Partei verwenden.

Ihre Wiederwahl als New Yorker Senatorin gilt als ungefährdet, es gibt ja nicht mal einen republikanischen Kandidaten. Geringe Summen spendet sie an bedürftige Kollegen in anderen Staaten, während sie den Löwenanteil ihres Vermögens von gut zwanzig Millionen Dollar für 2008 spart, wenn sie in den Vorwahlen andere Präsidentschaftsaspiranten aus ihrer eigenen Partei bekämpfen wird.

Hillary, 58, will ein bisschen schlauer agieren als ihre Parteikollegen und beschäftigt einen Apparat von Unterstützern und Beratern. Diese Partei innerhalb der Partei ist in Washington bekannt als "Hillaryland" - ein System, das aus der strategischen Denkfabrik "Hillpac" besteht und der Geldeintreibetruppe "Friends Of Hillary".

Kein Politiker organisiert bessere Partys für seine Finanziers. Besonders in Beverly Hills, der wichtigsten Geldquelle demokratischer Kandidaten, schmeißt die Senatorin opulente Feste.

"Bush und Hillary schmusen in D.C.!"

Am unbeliebtesten ist Hillary deshalb nicht bei den Republikanern - die halten sie für schlagbar. Verhasst ist Hillary bei der Basis ihrer Partei. So sehr, dass ihre Auftritte seit Monaten von Demonstranten aus ihrer eigenen Partei gestört werden. Sie veröffentlicht nicht mal mehr ihre Termine.

Der 21. April in Beverly Hills, Kreuzung Green Acres und Benedict Canyon. Tausend wohlhabende Liberale wollen sich im Garten eines Filmproduzenten versammeln, um Hillary Schecks zu überreichen. Doch eine Schar junger Frauen in rosafarbenen Outfits stoppt die anrollenden Limousinen und ruft: "K-I-L-L-E-R-S - Bush und Hillary schmusen in D.C.!"

Eine Dame steigt aus ihrem schwarzen Jaguar und fragt, warum Hillary eine Killerin sei. "Sie unterstützt den Krieg wie Bush." Die Dame schüttelt den Kopf. Aktivistin Samantha Miller sagt: "Weil sie eine Frau ist, glauben alle, Hillary sei progressiv. Das Gegenteil ist richtig." Allein im April haben Tausende Demonstranten Hillarys Spendenpartys in Chicago, Manhattan, San Francisco, Portland, Washington und anderen Städten gestört.

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