SZ-Hintergrund:Halbherzige Suche in Bosnien

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Die Geschichte wiederholt sich manchmal auf ironische Weise. Das erwies sich, als Slobodan Milosevic am Dienstag einem Richter des Haager Kriegsverbrechertribunals vorgeführt wurde.

Bernhard Küppers

(SZ vom 4.7.2001) - Der frühere Hauptangeklagte Radovan Karadzic befindet sich nach wie vor in einem Versteck. Wie der serbische Regierungschef Zoran Djindjic jetzt mit Milosevic im Ausland punktet, so hatte dies auch der frühere Machthaber selber einmal mit einer Auslieferung des bosnischen Serbenführers Karadzic versucht.

1996, ein Jahr nach dem Vertrag von Dayton, als er westlichen Regierungen noch als Friedensgarant nützlich zu sein schien, wies Milosevic den damaligen jugoslawischen Armeechef Momcilo Perisic an, Karadzic für eine Auslieferung zu fassen.

Milosevic habe mit dem Ansinnen eine Aufhebung der Sanktionen gegen Jugoslawien angestrebt, sagte Perisic, als er schon einer der Oligarchen der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS) geworden war.

Karadzics große Leibgarde

Mit der Auslieferung Milosevics sind nun die Behörden der bosnischen Serbenrepublik unter Druck geraten. "Nur mit der Republika Srpska gibt es keine Zusammenarbeit", rügte die Sprecherin der Chefanklägerin des UN-Tribunals, Carla Del Ponte, bevor nun Ministerpräsident Mladen Ivanic aus Banja Luka zu Gesprächen nach Den Haag kommt.

Nach ihren Informationen halten sich Karadzic und sein Mitangeklagter und früherer Armeechef Ratko Mladic in der Republika Srpska auf, der General sogar "unter dem Schutz der Armee".

Vergeblich hatten allerdings auch schon die Vorgänger der Chefanklägerin des UN-Tribunals in Den Haag, Carla Del Ponte, unter Berufung auf den Dayton-Vertrag darauf gedrungen, dass die Nato-Friedenstruppe SFOR in Bosnien endlich auch die beiden obersten Verantwortlichen unter den angeklagten bosnischen Serben ergreift.

Karadzic und Mladic waren gemeinsam seit 1995 für die Vertreibungen von Muslimen und Kroaten, die Beschießung der Zivilbevölkerung des belagerten Sarajewo und die Massaker von Srebrenica des Völkermords angeklagt. Präsidentschaft und Militärkommando mussten sie erst im Jahr darauf abgeben.

Auch der derzeitige Nato-Generalsekretär George Robertson wies aber jüngst wieder auf die "große Leibgarde" hin, die Karadzic um sich habe. Offenbar spielen außer der Scheu westlicher Regierungen, eigene Soldaten zu verlieren, auch andere Bedenken mit, nämlich dass Karadzic selber bei einer Aktion zu seiner Ergreifung umkommen könnte.

"Niemals freiwillig ergeben"

"Mein Mann wird sich niemals freiwillig ergeben", behauptet Karadzics Frau Ljiljana. Seine wechselnden Verstecke werden in der Gebirgsregion zwischen Visegrad an der Drina und der Ost-Herzegowina vermutet. Anfang des Jahres verfolgte die SFOR dort Karadzics "Bewegungen". Die Friedenstruppe erwartete offenbar, dass der Gesuchte seine im Sterben liegende Mutter im benachbarten Montenegro besuchen würde.

Mladic wurde noch nach Milosevics Sturz in Belgrad gesehen. Djindjics Justizminister Vladan Batic sagte im April jedoch, der General halte sich nicht mehr in Serbien auf. Die Armeeführung der Republika Srpska dementierte unlängst, dass Mladic Zuflucht wieder bei Han Pijesak in Ost-Bosnien genommen habe, einem weitläufig unterbunkerten Militärquartier aus Zeiten des jugoslawischen Königs Alexander und Marschall Titos.

Milosevic hatte sich zu westlichen Unterhändlern oft verächtlich über Karadzic geäußert. Im Gefängnis des UN-Tribunals warteten schon vor Milosevics Eintreffen Karadzics engster Gefährte Momcilo Krajisnik und seine einstige Stellvertreterin Biljana Plavsic.

Eine Zeitlang als Nachkriegspräsidentin wegen ihrer Distanzierung von Karadzic international protegiert, entging auch die 70-Jährige jedoch nicht einer Anklage wegen Völkermords.

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