Südsudan:Marschbefehl ins Nirgendwo

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Die Hitze, die Sümpfe und die Kämpfe - welche Abenteuer die Bundeswehr bei ihrem neuesten Friedenseinsatz erwarten.

Von Michael Bitala

Kapstadt, 22. April - Savanne, nichts als Savanne. Selbst wenn man stundenlang in niedriger Höhe über den Südsudan fliegt, ist nichts zu finden, was an eine moderne Infrastruktur erinnert. In Rumbek, der provisorischen Hauptstadt der Rebellen, gibt es gerade mal drei Dutzend gemauerte Häuser und sonst nur strohbedeckte Rundhütten zwischen Erd- oder Schlammpisten.

800 Kilometer sind es bis zur nächsten asphaltierten Straße, es gibt keinen Strom, keine Wasserleitung, kein Telefon. Lebensmittel sind knapp, Medikamente auch. Tagsüber steigt die Temperatur oft auf mehr als 50 Grad, und nachts raubt einem ohrenbetäubender Lärm den Schlaf - es sind Frösche, deren Quaken in den Sümpfen an leidende Esel erinnert. Die deutschen Soldaten werden sich an diesen Ort gewöhnen müssen.

Maximal 75 Bundeswehr-Soldaten, so hat es der Bundestag am Freitag beschlossen, sollen nun in Richtung Südsudan in Marsch gesetzt werden. Sie sind Teil einer 10.000 Mann starken Blauhelmtruppe, die den Friedensschluss zwischen den Rebellen der Volksbefreiungsarmee SPLA und dem Militärregime in der Hauptstadt Khartum überwachen soll.

Der konkrete Auftrag: Milizionäre entwaffnen, bei der Minenräumung helfen und eine zivile Polizei aufbauen. Im Parlament stimmten fast 98 Prozent dem Einsatz zu - doch den wenigsten Abgeordneten dürfte wirklich bewusst gewesen sein, in welch heikles Abenteuer die Soldaten geschickt werden.

Es ist ein Friedenseinsatz, bei dem nicht sicher ist, ob der fast ein halbes Jahrhundert währende Krieg wirklich schon beendet ist. Allein die jüngste Schlachtenrunde, die 21 Jahre dauerte, hat zwei Millionen Menschen getötet und vier Millionen vertrieben, und die uralte Feindschaft zwischen Nord und Süd besteht nach wie vor.

Bizarr verplant

Der Friedensvertrag ist nur unter massivem Druck der Weltgemeinschaft zustande gekommen, es war nicht zuletzt das Versprechen enormer Finanzhilfen, das den Konfliktparteien die Unterschrift erleichterte.

Nun stehen 4,5 Milliarden Dollar bereit, die kräftig und teils bizarr verplant werden. In Nimule begleiteten hochrangige SPLA-Rebellen kürzlich Reporter durch die Sümpfe und Savannen und schwärmten von ihrer neuen Hauptstadt, die in diesem Niemandsland entstehen soll. Ein Staatshaus ist geplant mit angeschlossenem 350-Zimmer-Hotel plus Konferenzzentrum.

"Wenn Schröder in den neuen Sudan kommt", sagte einer der Rebellen einer deutschen Journalistin, "dann können wir ihn ja schlecht unterm Baum schlafen lassen." Solch ein Prachtbau aber ist nur ein kleines Projekt im Vergleich zu den anderen Plänen: Straßen und Brücken sollen entstehen, Hospitäler, Schulen, Häuser, Wohnungen und sogar eine Eisenbahn.

Ob es jemals dazu kommt, ist fraglich. Denn im Friedensvertrag stecken jede Menge neue Kriegsgründe. Er sieht unter anderem vor, dass nach einer Übergangszeit von sechs Jahren die Südsudanesen darüber abstimmen, ob sie weiterhin zum Sudan gehören wollen oder nicht. Eine Abspaltung aber würde nicht nur dem Norden die Kontrolle über viele Ölfelder entziehen, sie wäre auch ein gefährlicher Präzedenzfall für den Kontinent. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Khartum dieser Teilung - trotz Unterschrift - zustimmt.

Doch der Krieg kann schon zuvor wieder aufflammen. Der Friedensvertrag wurde nämlich nur zwischen der SPLA und Khartum geschlossen, im Südsudan aber tummeln sich mindestens 30 weitere Milizen. Zu einer Friedenskonferenz in Nairobi, die am Donnerstag zu Ende ging, sind die meisten Rebellen trotz Einladung nicht erschienen. Sie werfen SPLA-Chef John Garang vor, eine Diktatur errichten zu wollen.

Es drohen weitere, gewaltige Explosionen

Auch wenn viele dieser lokalen Kriegsherren nur an ihrer eigenen Macht interessiert sind - so abwegig ist der Vorwurf nicht. Garang gilt nicht nur als absolutistischer Herrscher, der seine Interessen mit äußerster Gewalt verfolgt, es gibt bislang auch nichts, was an eine zivile Verwaltung erinnert. Nur wer zur SPLA gehört und seine Macht mit einer Kalaschnikow unterstreichen kann, hat etwas zu sagen.

Noch ungewisser wird die UN-Mission unter deutscher Beteiligung aber, wenn man sich das ganze Land ansieht. Die Aufbauhilfen für den Süden sind zum größten Teil daran geknüpft, dass Khartum den Krieg im Westsudan, in der Darfur-Region, beendet. Im Osten ist ebenfalls eine Rebellion entstanden. Alle Aufständischen wollen wie die SPLA-Rebellen am Reichtum und an der Macht beteiligt werden. Doch daran denkt die Regierung nicht.

Dem Sudan drohen also weitere, gewaltige Explosionen. Verteidigungsminister Peter Struck aber plant schon die Ausweitung des Bundeswehrmandats: Einzelne Soldaten, sagte er im Bundestag, könnten die Mission der Afrikanischen Union in Darfur unterstützen, wo der Vertreibungskrieg unvermindert anhält. Die Savanne kennen die Bundeswehr-Soldaten ja dann schon.

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