Sudan:Das lautlose Sterben - die Welt sieht zu

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Seit dem Frühjahr gab es 70.000 Tote im Sudan. Staatsmänner geben sich bei General Omar al-Baschir die Klinke in die Hand, an der Situation aber ändert das nichts.

Von Arne Perras

Selten hatte das Militärregime im Sudan die Ehre, so viel Besuch zu empfangen. Khartum ist längst Ziel für medienträchtige Polit-Prozessionen geworden.

In Hilfscamps wie diesem nahe des Dorfes Seleah in der Provinz Darfur warten zigtausende Flüchtlinge auf Hilfe. (Foto: Foto: AP)

Kaum eine Woche, in der nicht ein Außenminister oder Regierungschef des Westens auf der Couch von General Omar al-Baschir Platz nimmt und seine Litanei herunterbetet.

Powell war da, Blair, Fischer - geholfen hat es wenig

Colin Powell war da, Dominique de Villepin, Joschka Fischer, Jack Straw, Tony Blair und nun auch der Niederländer Ben Bot: Die Reitermilizen in Darfur müssen entwaffnet werden. Khartum soll mit den Rebellen verhandeln. Flüchtlinge müssen geschützt werden. Mordende Milizen sind vor den Kadi zu bringen. Die Forderungen lauten immer gleich.

Manchmal machen sie den sudanesischen Außenminister Mustafa Ismail - genannt Mr. Smile - ein wenig nervös, und bei Tony Blair und Ben Bot soll der notorische Lächler kurzzeitig gar seine diplomatische Contenance verloren haben. Aber das ändert nichts daran, dass das Regime die Sache noch immer aussitzen möchte - um jeden Preis.

Peking und Moskau blockieren

Noch kann Khartum auf Moskau und Peking setzten, die scharfe Sanktionen gegen das Regime verhindern. Weil Regierung und Rebellen in Darfur weiterkämpfen, verschärft sich das Leid der Menschen weiter - trotz der gewaltigen Hilfsmaschinerie, die von den Vereinten Nationen angeworfen wurde.

Der UN-Chefkoordinator für humanitäre Hilfe in Khartum zeichnet im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ein düsteres Bild. Allein seit August habe die Zahl der Vertriebenen um 220.000 Menschen auf eineinhalb Millionen zugenommen, sagt Manuel Aranda da Silva.

600.000 Kriegsopfer können gar nicht versorgt werden. Und die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass allein seit dem Frühjahr in Darfur 70.000 Menschen gestorben sind.

Entscheidung bis Weihnachten

"Die Zeit ist sehr knapp geworden für eine politische Lösung", mahnt Aranda da Silva . "Wenn wir bis Weihnachten keinen Deal haben, wird es schwer sein, die Dörfer für die Flüchtlinge rechtzeitig wieder aufzubauen, damit sie ab dem Frühjahr ihre Felder neu bestellen können".

Gelingt dies nicht, muss sich die Weltgemeinschaft darauf einstellen, auf Jahre hin mehrere Millionen Notleidende zu ernähren und vor mordenden Milizen zu verteidigen.

Schutz? Davon kann noch keine Rede sein, weil Khartum die Stationierung einer größeren afrikanischen Truppe blockiert, die Zivilisten schützen dürfte. Indes verschlechtert sich die Sicherheitslage, so dass die internationalen Helfer ihre Programme einschränken müssen.

"Die Angst ist zu groß"

Nachdem zwei Helfer in Norddarfur durch eine Panzermine getötet wurden, ist die Nahrungslieferung der UN dort unterbrochen worden. "Nirgendwo sehen wir derzeit die Bereitschaft der Vertriebenen zurückzukehren", sagt Aranda da Silva. "Die Angst ist zu groß."

Erst wenn die politischen Verhandlungen fruchten, könne neue Zuversicht wachsen, sagt der UN-Chef in Khartum. Kommende Woche treffen sich die Kriegsparteien in Libyen zu einem Friedensgipfel - mit einem Durchbruch rechnet niemand.

© Süddeutsche Zeitung vom 16.10. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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