Strucks Streichliste:Die Wut der Bürgermeister

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Der Verteidigungsminister hält die Schließung von 105 Bundeswehr-Standorten für "ausgewogen", in den betroffenen Orte fürchtet man den Bankrott. Die CDU fordert Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe.

Zum Beispiel das bayerische Mellrichstadt und sein Panzerbataillon: Rund 900 Soldaten sind bislang im 6300-Einwohner-Ort stationiert. Weitere 70 zivile Arbeitsplätze und weitere 50 bis 100 Jobs im örtlichen Gewerbe sind von der Schließung bedroht.

Und das alles im ohnehin strukturschwachen nördlichen Unterfranken. "Wir finden uns mit der Entscheidung nicht ab, wir kämpfen!", sagt die zweite Bürgermeisterin Christel Heid (CSU), "es sind unsere Soldaten".

Struck lädt die Bürgermeister zu sich

Mit Bestürzung und Verärgerung haben Bürgermeister deutschlandweit auf den Abzug der Bundeswehr aus ihren Städten reagiert. Verteidigungsminister Peter Struck schließt bis 2010 105 Standorte der Bundeswehr und streicht dabei insgesamt 48.700 Dienstposten. In Kellinghusen (Schleswig-Holstein) sagte Bürgermeisterin Helga Nießen: "Wir werden Schadenersatz fordern."

Er habe "volles Verständnis" für Proteste in den betroffenen Kommunen, sagte Verteidigungsminister Struck. Die Schließungen seien aus militärischen Gründen unumgänglich, wenn die Bundeswehr in den nächsten Jahren bestehen solle. Anfang Januar wolle er die betroffenen Bürgermeister nach Berlin einladen.

Konkretere Zusagen als nur ein Gespräch fordert der hessische Ministerpräsident Roland Koch. Er verlangt finanzielle Hilfen für die betroffenen Kommunen und Regionen. Finanzhilfen in dreistelliger Millionenhöhe seien "eine realistische Summe". Durch die geplante Schließung von 105 Standorten bis zum Jahr 2010 ist Hessen neben einigen anderen Bundesländern besonders betroffen.

"Land unter, Alarmstufe rot"

Unions-Verteidigungsexperte Christian Schmidt (CSU) nannte die geplanten Standortschließungen unverantwortlich. Die Bundeswehr sei auch für Arbeitsplätze und die Regionen verantwortlich, sagte er im Bayerischen Rundfunk.

In Franken zum Beispiel würden bereits die Amerikaner massiv abziehen. Wenn nun auch noch die Bundeswehr abziehe, "dann heißt das für einige Regionen wirklich Land unter, Alarmstufe rot". Die Reform könne nicht mit "Scheuklappen" gemacht werden. Bei den Strukturfragen seien nun die zuständigen SPD-Bundesminister Manfred Stolpe (Verkehr und Bau) sowie Wolfgang Clement (Wirtschaft) gefordert.

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, forderte die Stelle eines "Konversionsbeauftragen" zu schaffen. Eine solche "Wegweiserstelle" könne den betroffenen Gemeinden bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten helfen, sagte Nachtwei der Sächsischen Zeitung.

Die Bundesregierung trage "eine Mitverantwortung für die Folgen des Abzugs in den besonders strukturschwachen Gebieten". Eine solcher Beauftragter für den Umbau ehemals militärisch genutzter Liegenschaften könne im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt sein.

Er könnte dort bei der Nutzung von Fördermitteln aus dem Stadtumbauprogramm des Bauministeriums, den EU-Strukturfonds und der Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zur Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur helfen.

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