Streit zwischen Türkei und Deutschland:Ankara: Berlin will uns zermürben

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Unterstützt Erdoğan Islamisten, wie es in einer Einschätzung der Bundesregierung heißt? Die Türkei weist das scharf zurück.

Von C. Hickmann und L. Seeling, Berlin/München

Die Regierung in Ankara hat den in Deutschland erhobenen Vorwurf zurückgewiesen, die Türkei arbeite mit islamistischen Terrorgruppen zusammen. Diese Einschätzung sei "ein weiterer Indikator für eine verdrehte Mentalität", die sich gegen die Türkei richte, erklärte das türkische Außenministerium am Mittwoch. In der auf seiner Homepage veröffentlichten Mitteilung stellte das Ministerium außerdem eine "Klärung vor bundesdeutschen Gerichten" in Aussicht. In Berlin distanzierte sich das Auswärtige Amt von den Aussagen über die Türkei.

Anlass des Streits ist eine vertrauliche Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. Darin wird die Türkei als "zentrale Aktionsplattform" für islamistische Organisationen im Nahen Osten bezeichnet. Genannt werden etwa die ägyptische Muslimbruderschaft und die palästinensische Hamas, zu denen die Regierungspartei AKP und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine "ideologische Affinität" hätten. Damit stellt die Bundesregierung zum ersten Mal offiziell eine direkte Verbindung zwischen Erdoğan und einer Terrororganisation her. Als solche wird zumindest die Hamas seit 2003 in der Europäischen Union eingestuft.

Die in dem Papier aufgestellten Behauptungen zeugten von einer Haltung, "mit der seit einiger Zeit versucht wird, unser Land zu zermürben, indem unser Präsident und unsere Regierung zum Ziel genommen werden", hieß es in der Erklärung aus Ankara. Es sei offensichtlich, dass hinter solchen Anschuldigungen politische Kreise in Deutschland stünden, die für ihre "Doppelmoral" im Anti-Terror-Kampf bekannt seien. Dieser schließe den Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK ein, die nach wie vor die Türkei attackiere. "Als Land, das aufrichtig gegen jede Art von Terror aus jeder Richtung kämpft, erwartet die Türkei, dass ihre Partner und Verbündeten ebenso handeln", forderte das Außenministerium. Die Türkei wirft Deutschland und weiteren EU-Mitgliedern seit Langem vor, zu wenig gegen Aktivitäten der PKK im eigenen Land zu unternehmen. Seit dem Putschversuch Mitte Juli von Teilen des türkischen Militärs sind die deutsch-türkischen Beziehungen besonders angespannt.

In Deutschland löste die Einschätzung der Bundesregierung eine politische Diskussion aus. "Die in der Presse getroffenen Aussagen machen wir uns in dieser Pauschalität als Auswärtiges Amt nicht zu eigen", sagte eine Sprecherin des Amtes. Es hatte die Endfassung der Antwort nicht zu sehen bekommen - nach Angaben des federführenden Innenministeriums durch ein "Büroversehen" eines Sachbearbeiters.

Die kritische Beurteilung der Türkei geht offenbar auf den Bundesnachrichtendienst zurück, der dem Kanzleramt unterstellt ist. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, das Kanzleramt sei "einer der Akteure" bei der Beantwortung der Linken-Anfrage gewesen. Er vermied eine direkte Aussage zu den vertraulichen Passagen und lobte die Türkei als wichtigen Partner in der Region. Es gebe keinen Grund, das europäisch-türkische Flüchtlingsabkommen infrage zu stellen.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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