Streit um Jobcenter:Der Kanzlerin entgleitet die Union

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Die Unionsfraktionsspitze kippt die Reform - und düpiert damit die CDU-Granden Koch und Rüttgers. Angela Merkel scheint zu schwach, um das ändern zu können.

Stefan Braun

Der Streit über die Reform der Jobcenter wächst sich für die Bundeskanzlerin zu einer Machtfrage in der Union aus. Ein tiefer Riss zieht sich durch die Partei, und Angela Merkel wirkt zu schwach, um das ändern zu können.

Hat in den eigenen Reihen Kritiker: Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Foto: ddp)

Nach dem Nein der Fraktionsspitze liegt die Reform bis zur Bundestagswahl auf Eis. Die Ministerpräsidenten, die sich für das Projekt ausgesprochen hatten, sind verärgert.

Die Führung der Unionsfraktion hatte am Montagabend mit 47 : 2 Stimmen beschlossen, den Kompromissvorschlag zur Reform der Jobcenter abzulehnen. Damit brüskierte die Fraktionsspitze nicht nur Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD), sondern auch den Verhandlungsführer der Union, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers.

Dieser hatte auf Bitten der Länderchefs der Union mit Scholz den Kompromiss ausgehandelt. Mit dem Nein der Fraktion wird es in dieser Legislaturperiode keine Reform der Arbeitsvermittlung mehr geben.

Sie war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Mischverwaltungen in den sogenannten Arbeitsgemeinschaften, bei denen Vertreter der Bundesagentur und der Kommunen eng kooperieren, für verfassungswidrig erklärt hatten. Der Kompromiss sah vor, den Mischverwaltungen durch eine Verfassungsänderung eine neue Grundlage zu geben.

"Sehr aggressives" Klima

Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) begründete die Ablehnung am Dienstag mit sachlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen. Röttgen sagte, es habe "massive Kritik der Praktiker" gegeben. Außerdem halte die Fraktion den Versuch für grundfalsch, eine vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestufte Regelung durch eine Verfassungsänderung verfassungskonform zu machen. "Das ist für uns schlechterdings nicht vertretbar", sagte Röttgen.

Damit könnte es in diesem Frühjahr zu einem scharfen Konflikt in der Union kommen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erwägen einige Ministerpräsidenten nun, den Kompromissvorschlag als Bundesratsinitiative einzubringen.

Das würde dazu führen, dass es zum Start des Bundestagswahlkampfes zu einer zentralen Machtprobe zwischen den CDU-geführten Ländern und der Unionsfraktion kommen könnte, weil eine solche Initiative im Bundesrat und im Bundestag zu Abstimmungen führen würde, deren Ausgang ungewiss wäre.

Dem Nein der Fraktion war am Montag im CDU-Präsidium ein scharfer Streit zwischen Vertretern der Fraktion und mehreren Ministerpräsidenten vorausgegangen.

Nach Berichten von Teilnehmern sei es "sehr aggressiv" zugegangen, insbesondere zwischen Röttgen und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.

Die Kritik wächst

Koch, der wie Rüttgers auch stellvertretender CDU-Vorsitzender ist, sei demnach sehr laut geworden und habe beklagt, dass nun genau das aufs Spiel gesetzt werde, was die Union immer vertreten habe: eine Arbeitsvermittlung nahe am Menschen in den Kommunen.

Nach Informationen der SZ wächst nun intern die Kritik an Angela Merkel. Sie habe in mehreren Gesprächen mit Fraktionsspitze und Länderchefs nicht erkennen lassen, was sie selbst für richtig halte, hieß es.

Nur so habe eine Situation entstehen können, in der sich sowohl Fraktionschef Volker Kauder als auch die Ministerpräsidenten von ihr unterstützt gefühlt hätten.

Nordrhein-Westfalens CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst griff die Fraktion am Dienstag scharf an und sprach von einem "unverantwortlichen Verhalten". Bestürzt zeigte sich auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

© SZ vom 18. März 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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