Streit um Bundeswehr-Einsatz:Was tun in Afghanistan?

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Einige Koalitionspolitiker wollen aussteigen aus der Operation "Enduring Freedom". Auf gar keinen Fall, rufen die Kollegen. Die Taliban stehen jedenfalls 30 Kilometer vor Kabul - und das Verteidigungsressort bekommt mehr Geld.

Zoff in der Großen Koalition: Die Politiker sind uneins, ob sich die Bundeswehr weiter an der US-geführten Antiterrormission "Operation Enduring Freedom" (OEF) in Afghanistan beteiligen soll.

Bundeswehrsoldaten observieren afghanisches Gelände: In der SPD mehrt sich der Widerstand gegen eine Verlängerung des Mandats für "Enduring Freedom". (Foto: Foto:)

Der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg und der SPD-Abgeordnete Hans-Ulrich Klose regten in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung an, den Einsatz der Bundeswehr in einem einzigen Mandat unter dem Dach der Nato-Truppe Isaf zusammenzufassen. Vorstellbar wäre, den Einsatz in Afghanistan auf das ganze Land auszudehnen.

Bundeswehr-Ausbildungsteams sollten in die Lage versetzt werden, die von ihnen betreuten afghanischen Einheiten in den Einsatz in andere Landesteile zu begleiten.

"Dies wäre ein essentieller Beitrag zur Entwicklung der afghanischen Streitkräfte, der zudem bei unseren Bündnispartnern Anerkennung finden würde und (auf längere Sicht) den Grundstein einer 'exit strategy' (Ausstiegsstrategie) bilden kann", schrieben die Außen-Experten.

Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels stellte ebenfalls die deutsche Beteiligung an OEF in Frage. Die Argumente für die Beteiligung seien immer schwächer geworden, sagt Bartels. Neben der Tatsache, dass die KSK-Kräfte, die im Rahmen des OEF-Mandats in Afghanistan eingesetzt werden könnten, seit zwei Jahren nicht mehr angefordert wurden, hätten die Bundeswehrkräfte keinerlei Einfluss auf das Operationsgeschehen der Anti-Terror-Mission. "Wir übernehmen politische Mitverantwortung für etwas, das wir tatsächlich nicht beeinflussen können", sagte Bartels.

Kritik und Zustimmung aus der Union

Sowohl bei Teilen der Union als auch bei der Bundeswehr in Afghanistan kommt der Vorschlag offenbar nicht gut an: Im Endeffekt würde das Vorhaben zu einer Neuverteilung der Aufgaben führen, was für die deutschen Soldaten gefährlichere Aufgaben wie Kampfeinsätze in ganz Afghanistan bedeuten könne, warnten der außenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Eckart von Klaeden und Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff.

"Der einseitige Ausstieg Deutschlands aus OEF in Afghanistan würde die Bündnispartner weiter entfremden, den bisher unbegründeten Verdacht Deutschland gegenüber bestätigen, dass wir nicht zu einer fairen Risikoverteilung in Afghanistan bereit seien, und könnte eine Kettenreaktion des Ausstiegs weiterer Nationen aus OEF oder Isaf zur Folge haben", betonten Klaeden und Schockenhoff.

Isaf-Stabschef hält Antiterrormission für notwendig

Dagegen begrüßte der Unions-Verteidigungsexperte Bernd Siebert den Vorstoß: "Ich halte die Idee für gut vom Grundsatz her, aber für das Mandat im Herbst nicht mehr umsetzbar". Es gehe um ein völlig neues Mandat, über dessen Ausgestaltung sorgfältig beraten werden müsse. Dies könne vor der Mandatsverlängerung im kommenden Jahr geschehen.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold reagierte zurückhaltend: "Ich halte nichts davon, wenn jeden Tag neue Vorschläge auf den Tisch kommen." Die Verteidigungspolitiker der SPD würden ihre Position am Mittwoch in die Fraktionsdebatte zu dem Thema einbringen und sich vorher nicht festlegen. "Die Grundkritik, dass die USA zu schnell zivile Opfer in Kauf nehmen, wird nicht durch ein einfaches Zusammenlegen der Mandate beseitigt", fügte er hinzu.

Der deutsche Isaf-Stabschef Bruno Kasdorf hält die umstrittene Antiterrormission OEF für unverzichtbar. Die internationale Schutztruppe Isaf, die für die Absicherung des Wiederaufbaus in Afghanistan verantwortlich ist, habe zu wenig Kräfte. "Wir sind auf den Beitrag von OEF angewiesen." Die 40.000 Isaf-Soldaten, die derzeit in Afghanistan stationiert sind, seien "ganz eng genäht", sagte Kasdorf in einer Live-Schaltung aus Kabul ins Berliner Verteidigungsministerium.

Der Isaf-Stabschef forderte auch eine Aufstockung der Nato-Friedenstruppe in Afghanistan: "Einige tausend Soldaten könnten schon einen großen Unterschied machen." Außerdem fehlten der Isaf weiter Lufttransport-Kapazitäten und Aufklärungsmittel im Land. Mehr Unterstützung wünsche sich die Nato-Truppe auch bei der Ausbildung der afghanischen Armee.

Mehr Geld für Jung

Zumindest in Bezug auf finanzielle Mittel für Material, das die Bundeswehr für ihre Auslandseinsätze benötigt, kann Verteidigungsminister Franz Josef Jung wohl gute Nachrichten vermelden: Das Verteidigungsministerium soll in den kommenden vier Jahren offenbar gut zwei Milliarden Euro an zusätzlichen Finanzmitteln aus dem Bundeshaushalt bekommen.

Allein für 2008 sehe die Planung zusätzlich 530 Millionen Euro vor, berichtet die Tageszeitung Die Welt unter Berufung auf Koalitionskreise. Das Geld benötigt Jung außerdem, um die Erhöhung des Wehrsolds zu bezahlen und um Kasernen im Westen zu modernisieren. 2009 und 2010 belaufen sich die Mehrbeträge auf je 400 Millionen Euro. 2011 seien es dann rund 700 Millionen Euro. Im Vorjahr betrugen die Ausgaben des Verteidigungsministeriums rund 28,4 Milliarden Euro.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erhält damit dem Vernehmen nach von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) etwa die Hälfte der zusätzlich beantragten vier Milliarden Euro. "Die Ressortminister verlangen zu Beginn des Planungsprozesses sehr hohe Summen, damit sie am Ende in etwa erhalten, was sie mindestens brauchen", relativierte ein Finanzexperte.

Taliban 30 Kilometer vor Kabul

Die Forderung Kasdorfs nach Verstärkung in Afghanistan richtete sich jedoch nicht nur an Deutschland, sondern an die Gemeinschaft insgesamt: "Wir melden das an die NATO in Brüssel und sagen: Kümmert euch darum." Kasdorf begründete die Forderung nach mehr Truppen unter anderem damit, dass Taliban-Kämpfer an vielen Stellen wieder einsickerten, sobald Soldaten der internationalen Truppen abgezogen würden.

30 Kilometer nördlich von Kabul sind nach Angeben der US-Armee radikalislamischen Taliban in eine Region eingesickert. "Es gibt eine Gruppe von Taliban, die in der Provinz Kapisa tätig sind und sich dort strategisch darauf vorbereiten, Zutritt zu wichtigen Bereichen zu verschaffen", sagte Colonel Jonathan Ives, der für die US-geführten Truppen im Nordosten des Landes zuständig ist.

Die Kämpfer, die sich im Bezirk Tagab angesiedelt haben, hätten sich in diesem Jahr von 50 auf 200 vervierfacht. Bisher sei die Provinz Kapisa sicher gewesen und es habe noch keine Bedrohungen gegeben, sagte Ives weiter. Er forderte dort eine permanente Präsenz von afghanischen Sicherheitskräften.

© sueddeutsche.de/ Reuters/AP/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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