Streit über Starttermin für das Arbeitslosengeld II:Wir haben kein Interesse, die Menschen zu knebeln

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SPD-Chef Franz Müntefering hat seinen Parteikollegen und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aufgefordert, das Arbeitslosengeld II früher zu zahlen.

Von Ulrich Schäfer

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wird sich, auch wenn er sich noch sträubt, dem Druck der Koalition beugen und die erstmalige Auszahlung des Arbeitslosengeldes II vorziehen müssen.

SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering erklärte am Freitag in einem Interview der ARD: "Es muss dort eine Veränderung geben." Man werde wohl im August eine neue Regelung finden. "Wir haben kein Interesse, die Menschen zu knebeln", ergänzte er.

Teile der SPD und die Union hatten sich darüber erbost, dass Clement das ArbeitslosengeldII erst Anfang Februar erstmals auszahlen und jenen Menschen, die Ende Dezember letztmals die abgeschaffte Arbeitslosenhilfe erhalten, im Januar kein Geld überweisen will.

"Langzeitarbeitslosen wird kein Euro verloren gehen"

Clement hatte dies unter anderem damit begründet, dass Arbeitslose, denen der Staat in den letzten Dezembertagen nochmals Geld überweist, damit ihre Ausgaben im Januar bestreiten können und mithin erst im Februar bedürftig seien.

Zuletzt hatte allein Finanzminister Hans Eichel die Position Clements unterstützt. Die Union hatte der Regierung vorgeworfen, sie betreibe "Haushaltstricks".

Trotz des wachsenden Drucks aus den eigenenReihen beharrte der Wirtschaftsminister am Freitag auf seiner Ansicht, dass den Langzeitarbeitslosen durch seine Pläne "kein Euro" verloren gehe.

Es sei zudem garantiert, dass alle, die einen Job finden und ihr erstes Gehalt zum Monatsende erhalten, in diesem Monat nochmals ArbeitslosengeldII bekommen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung hatten zuvor in der Süddeutschen Zeitung darauf hingewiesen, dass die Arbeitsagenturen die gezahlte Unterstützung gewähren und zurückfordern können, falls jemand in Kürze mit anderen Geldzuflüssen rechnen könne.

"Hier sagt Clement ganz offensichtlich die Unwahrheit oder er kennt das Sozialgesetzbuch nicht", erklärte Paul Schröder vom Institut für Arbeitsmarktforschung. Schröder verwies auf die betreffende Formulierung im Hartz-IV-Gesetz, die ausdrücklich von einem möglichen "Darlehen" spricht, sowie eine entsprechende schriftliche Erläuterung des Hauptstadtbüros der Bundesagentur für Arbeit.

Clement: Ziviler Ungehorsam ist fehl am Platz

Clement kritisierte unterdessen die Montagsdemos gegen das Hartz-IV-Gesetz, die auch für nächste Woche geplant sind. "Ziviler Ungehorsam" gegen die, welche Ernst machen wollten mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit, sei "völlig fehl am Platze", erklärte der Minister.

"Schon der Vergleich ist eine Zumutung, eine Beleidigung der historischen Montagsdemonstrationen und der Zivilcourage, die viele Ostdeutsche damals gezeigt haben. Wo leben wir eigentlich?" Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, es sei eine "Schande", wenn von Gegnern der rot-grünen Sozialreformen "der Name Montagsdemonstration missbraucht wird".

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