Streit bei der Koalition:Rot-Grüne Schlammschlacht

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Der SPD-Parteichef Müntefering wettert gegen das "ewig lange Palaver" der Grünen, die meckern zurück. Schöner hätte sich die CDU den Auftakt des Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen gar nicht wünschen können.

Von Philip Grassmann

In der rot-grünen Koalition ist angesichts schlechter Umfragewerte und des Debakels bei der Ministerpräsidentenwahl in Kiel eine Auseinandersetzung über die künftige Strategie ausgebrochen.

Nicht durch die Rose gesagt: Der SPD-Parteivorsitzende Müntefering. (Foto: Foto: dpa)

SPD-Chef Franz Müntefering verlangte von den Grünen mehr Effizienz im Regierungsalltag und beklagte sich über das "ewig lange Palaver" über Regierungsvorhaben. "Das darf nicht so kleinkariert sein", forderte der SPD-Vorsitzende. Die Grünen wiesen die Ermahnungen zurück. Parteichef Reinhard Bütikofer sagte, es gebe dafür keinen Anlass. Münteferings Appell richte sich vielmehr an dessen eigene Partei.

Müntefering kritisierte in ungewöhnlich offenen Worten den Zustand der Koalition. Diese müsse über die Pläne früher und intensiver als bisher miteinander diskutieren und auf den Punkt bringen anstatt der "erstaunten Öffentlichkeit lange Phasen des Streits und der Wahrheitsfindung" zu bieten, sagte er im Deutschlandfunk.

Feiger Verräter in Kiel

"Keine Partei und keine ideologische Linie" habe von Anfang an die Wahrheit auf ihrer Seite, betonte Müntefering. Die Ansichten der SPD seien "mindestens genauso viel wert wie die der Grünen". Daraus müssten vernünftige Kompromisse entwickelt werden. Müntefering ermahnte die Koalition, den Mut aufzubringen, energisch zu diskutieren und dann auch zu Entscheidungen zu kommen.

Das sei wichtig für das Land, aber "natürlich auch für unser Ansehen." Müntefering, der auch SPD-Fraktionschef ist, fügte hinzu, er persönlich habe keine Probleme mit der Zusammenarbeit und hoffe, die Koalition halte über die Bundestagswahl 2006 hinaus.

Bütikofer machte seinerseits die SPD für Verzögerungen verantwortlich. Man könne sich aber nur auf eine gemeinsame Haltung verständigen, wenn zuvor beide Parteien ihre Positionen gefunden hätten. "Und das hat in letzter Zeit bei der SPD manchmal ein bisschen länger gedauert." Es sei aber richtig, dass man die Dinge manchmal früher miteinander besprechen müsse.

Auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck meinte, er unterstütze Münteferings Aufforderung nach mehr Dynamik und weniger öffentlicher Auseinandersetzungen. Auch Beck vertrat die Ansicht, dass der Appell nicht an die Grünen gerichtet sei.

"Es wird keine große Koalition geben müssen", sagt Merkel

Beide Regierungsparteien waren zudem um Schadensbegrenzung nach dem Debakel der gescheiterten Ministerpräsidentenwahl in Schleswig-Holstein bemüht. Mehrere SPD-Spitzenpolitiker zeigten sich überzeugt, dass die Niederlage von Heide Simonis keine Auswirkungen auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl am 22. Mai haben werde.

"Das hat keine Trefferwirkung für NRW - ein feiger Verräter in Kiel ist kein Grund, in Nordrhein-Westfalen nicht SPD zu wählen", sagte Müntefering. Ähnlich äußerte sich SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter.

Angesichts der gescheiterten Wiederwahl von Heide Simonis sprach sich der SPD-Rechtspolitiker Olaf Scholz für die generelle Abschaffung der geheimen Abstimmung bei Wahlen von Regierungschefs in Landtagen und Bundestag aus. "Der Wähler hat ein Recht zu wissen, was sein Abgeordneter mit dem ihm verliehenen Mandat tut", sagte er der Sächsischen Zeitung.

Unterdessen zeichnet sich in Kiel die Bildung einer großen Koalition ab. CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen sagte, eine Zusammenarbeit von CDU und SPD sei "die vernünftigste Lösung". Seine Partei werde allerdings nicht mehr so weit auf die SPD zugehen, wie er dies noch unmittelbar nach der Wahl getan habe. "Jetzt gelten andere Preise."

"Ein fauler Kompromiss"

Erste Sondierungsgespräche sollen Mitte der Woche beginnen. Die Wahl eines Ministerpräsidenten wird nun für den 27. April angestrebt. Politiker von SPD, CDU und FDP lehnten derweil eine große Koalition auf Bundesebene ab. Müntefering sagte, dies sei nicht sinnvoll. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel betonte, sie setze auf "einen klaren Regierungswechsel" im Bund. "Es wird keine große Koalition geben müssen", sagte sie der Bild am Sonntag.

CDU-Generalsekretär Volker Kauder lehnte ein Bündnis mit der SPD auch für den Fall ab, dass die rot-grüne Koalition noch in dieser Legislaturperiode auseinander brechen sollte. "Wenn Rot-Grün nicht in der Lage ist, die anstehenden Entscheidungen zu treffen, müssen sie das Feld räumen." FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, eine große Koalition sei "ein fauler Kompromiss und kein dynamischer Neuanfang."

© SZ vom 21.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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