Strafrecht:Ungleiche Morde

Eine Reform des Mord-Paragrafen ist überfällig. Dies gilt auch für die Bemessung des Strafmaßes.

Von Stefan Ulrich

Frau Mustermann ist verzweifelt. Ihre Tochter bleibt länger aus als erlaubt. Herr Mustermann, ein Gewalttäter, brüllt, er werde die Tochter wieder grün und blau schlagen, wenn sie heimkomme. Da die Frau das Leid der Tochter nicht mehr erträgt, ersticht sie des nachts den Schlafenden mit einem Messer. In solchen Fällen macht das Strafgesetzbuch kurzen Prozess. Paragraf 211 nennt besonders verwerfliche Methoden und Motive, die einen Totschlag zum Mord machen, zum Beispiel - wie in diesem Fall - Heimtücke. Und er bestimmt: "Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft." Das Leben erhält so den höchsten Schutz des Strafrechts.

Aber nicht alle Mörder sind gleich. Frau Mustermann handelt weniger verwerflich als ein Terrorist, der eine Bombe in der U-Bahn zündet. Doch straft das Gesetz beide gleich. Um den Widerspruch abzumildern, versuchen Gerichte, Ausnahmen zu entwickeln. Justizminister Heiko Maas (SPD) geht weiter. Er will den Mord-Paragrafen reformieren und die Strafe in bestimmten Fällen auf bis zu fünf Jahre senken, etwa wenn ein Täter aus Verzweiflung handelt, um sich aus einer ausweglos erscheinenden Lage zu befreien.

So werde der Mord enttabuisiert, sagen Reformgegner. Lebensschutz erfordere lebenslange Haft. Dieser Schutz darf jedoch nicht zu Ungerechtigkeiten führen. Im Recht gilt der Satz: Gleiches ist gleich zu behandeln - und Ungleiches ungleich.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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