Steuervergünstigungen:Schäubles Problem

Der Finanzminister betreibt im Inland jene Klientelpolitik, die er im Ausland bekämpft. Das macht ihn unglaubwürdig.

Von Cerstin Gammelin

Wenn genug Geld in der Kasse ist, fällt es leichter, sich das eine oder andere Extra zu leisten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in dem haushalterisch fetten Jahr 2015 der Verlockung nicht widerstehen können, politisch interessante Klientelen zu bedienen. Die Reeder freuen sich über Steuergeschenke, auch Bauunternehmer, womöglich bald Pharmakonzerne und Reiseanbieter.

Man könnte jetzt einwenden, dass alle diese Geschenke jedenfalls keine Löcher in den Bundeshaushalt reißen. Und dass es sogar die originäre Aufgabe von Politik ist, über gezielte steuerliche Maßnahmen in ausgesuchten Branchen nachhaltiges Wachstum, Forschung und Entwicklung und nicht zuletzt Beschäftigung zu fördern. In der Gesamtschau lässt sich der Preis, den Schäuble zahlt, indem er den Verlockungen nachgibt, allerdings nicht in Euro bemessen. Sondern vor allem in den Kategorien Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Oder besser: in deren Verlust.

Europäisch und international propagiert Schäuble die Notwendigkeit, Steuerschlupflöcher zu schließen und gemeinsame Grundlagen zur Besteuerung von Unternehmen zu schaffen. In den heftigen Auseinandersetzungen mit Griechenland drang der Minister auf Steuerreformen. Seine Argumente werden unglaubwürdig, wenn Schäuble daheim jene Klientelpolitik betreibt, die er jenseits der Grenzen zu bekämpfen vorgibt.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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