Stasi-Vorwürfe:Die Rosenholz-Rätsel

Wenn der Datenbestand des früheren DDR-Auslandsgeheimdienstes geöffnet wird, kommen bis zu 200.000 Klarnamen zum Vorschein. Der eine oder andere könnte auch prominent sein - aus Ost- und aus Westdeutschland.

(SZ vom 31.7.2003) - Sicher ist: Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky wurde auf einer Karteikarte der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter bezeichnet. Das ist ein ernst zu nehmender Hinweis auf eine Verstrickung Biskys in das menschenverachtende System der DDR.

Doch genauso sicher ist, dass bisher weder eine Verpflichtungserklärung noch ein Bericht aufgetaucht ist, mit denen dieser schwere Verdacht belegt werden könnte. Bis auf weiteres muss also offen bleiben, ob Bisky wirklich nur Reiseberichte verfasst hat, wie er behauptet, oder ob es nicht doch mehr war.

Der Name des PDS-Vorsitzenden ist bei der Auswertung der so genannten Rosenholz-Kartei, des Datenbestandes des früheren DDR-Auslandsgeheimdienstes, an die Öffentlichkeit gelangt, weil die Informationen hieraus seit 1. Juli nicht mehr geheim gehalten werden müssen. Bis zu 200.000 Personen sind dort mit ihren Klarnamen registriert.

Strafrechtliche Konsequenzen werden sich aus der Auswertung nicht ergeben -die Ermittlungsbehörden haben sie bereits durchforstet. Doch die gesellschaftlichen Auswirkungen können gravierend sein.

Jahrelang waren Stasi-Vorwürfe in der Öffentlichkeit kein Thema mehr. Das wird sich nun ändern. Der eine oder andere prominente Name - auch von Westdeutschen - wird öffentlich werden.

Es geht dabei um mehr als nur um die Frage, ob jemand gemeinsame Sache mit der Stasi gemacht hat. Es geht auch um die Motive und die Umstände, die jemanden dazu gebracht haben mögen. Eine offene Debatte über den Fall Bisky wäre ein erster Schritt auf diesem Weg.

Bisher hat sich der PDS-Vorsitzende nur zu seiner Verteidigung geäußert. Es wäre gut, wenn er jetzt auch einmal etwas zur Aufklärung beitragen würde.

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