Stasi-Museum in Leipzig:Falsche Bärte, Duftproben und Aufdampftöpfe

Lesezeit: 2 min

Das Leipziger Museum über die Arbeit der DDR-Staatssicherheit zeigt seine grotesken Exponate jetzt auch im Internet.

Christiane Kohl

Auf den ersten Blick weckt der Internetauftritt Assoziationen zu einem Ebay-Shop, dessen Betreiber noch nicht ganz das Niveau eines professionellen Online-Geschäfts erreicht hat.

Peinliches, Erschreckendes und Kurioses - hier ein Plakat mit Poststempeln, die vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) verwendet wurden - kann man nun auch im Internet bewundern. (Foto: Foto: dpa)

Vor meist grauem Hintergrund sind da allerlei Utensilien abgebildet - kleine Batterien im Holzkästchen etwa, ein grünes schon etwas angestaubtes Telefon, eine altertümliche Videokamera oder auch ein simpler blauer Arbeitskittel.

Die Dinge wirken ein wenig ältlich, weshalb man sie eher für Requisiten eines Historienfilms halten könnte - nach Art des preisgekrönten Kinorenners "Das Leben der anderen", der die Arbeit eines Stasi-Beobachters nachzeichnete.

Und tatsächlich sind die etwa 1000 Exponate, die nun auch auf der Webseite des Leipziger "Museums in der Runden Ecke" zu sehen sind, keineswegs Verkaufsstücke aus einem Online-Shop. Vielmehr handelt es sich um Ausstellungsobjekte der ersten deutschen Online-Datenbank zur Arbeit der Staatssicherheit.

Eine Art zeitgeschichtliches Museum wird da unter der Webadresse www. runde-ecke-leipzig.de präsentiert. Mit den Exponaten will das Leipziger "Bürgerkomitee für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS) einen "Beitrag zur politischen Bildung" im Lande leisten.

Denn ob Schüler oder Lehrer, interessierte Laien oder Wissenschaftler - jeder könne sich nun anschaulich und detailliert über die Arbeit der Stasi informieren, heißt es in einer Pressemitteilung. So sind etwa falsche Bärte und Perücken zu besichtigen, mit denen sich die Agenten einst tarnten, Handschuhe für den konspirativen Auftritt bei heimlichen Hausdurchsuchungen und Einsatzkoffer zur "mobilen Postkontrolle". Ein aus heutiger Sicht grotesk anmutendes Sammelsurium aus der Zeit des einstigen Überwachungsstaates.

Kästchen mit Knetmasse

Eine Vielzahl der Dinge, die jetzt ausgestellt sind, hatten dereinst aufgebrachte Bürger in dem wuchtigen Gebäude mit der runden Hausecke am Leipziger Innenstadtring selbst aufgespürt. Denn die "Runde Ecke" in Leipzig war zu DDR-Zeiten die furchteinflößende Residenz der Staatssicherheit. In den Tagen der friedlichen Revolution marschierten Montag für Montag die Demonstranten an dem Haus der Staatssicherheit vorbei, bis am 4. Dezember 1989 ein Trupp aus mutigen Bürgern das Gebäude stürmte.

Die Menschen ertappten einige Stasi-Mitarbeiter, die dabei waren, Spuren zu verwischen und Akten zu vernichten. So wurden die heutigen Exponate vor der Zerstörung gerettet. Unterstützt wurde die Einrichtung der Datenbank von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Diese erhofft sich davon, dass auf diese Weise auch nachfolgende Generationen in die Lage versetzt würden, sich umfassend über das SED-Unrecht zu informieren.

Freilich dürften insbesondere jüngere Leute wohl eher ins Schmunzeln geraten angesichts der völlig antiquierten Technik, mit der die Spione des Arbeiter- und Bauernstaates einst zu Werke gingen. Da sieht man diverse Kästchen, die mit einer Art Knetmasse gefüllt sind - sie diente der Stasi dazu, Hausschlüssel nachzufertigen.

Es gibt uralt anmutende Kameras, und schließlich findet sich ein Gerät in der Sammlung, das auf den ersten Blick wie ein umgebauter Wasserkocher aussieht: Ein Metalltopf mit Stromanschluss, aus dessen Deckel ein schwarzer Gummischlauch hervorkommt, der in eine Düse mündet. Der ursprünglich als Inhalationsgerät konzipierte Apparat diente den Stasi-Männern als "Aufdampftopf" zum Öffnen von Briefen.

Durch den Dampf wurde heimlich die Gummierung am Verschluss von Briefen und Päckchen geöffnet. Die wieder verschlossenen Sendungen wurden dann zugestellt. Etwa 4000 Pakete wurden nach Informationen des Bürgerkomitees täglich in jedem DDR-Bezirk geöffnet - nicht ohne das Frachtgut zuweilen ein wenig zu erleichtern. So wurden beispielsweise häufig Musikkassetten aus Westpaketen gestohlen, um sie für die Aufzeichnung von abgehörten Telefonaten zu verwenden. Auch die Stasi litt eben unter dem allgemeinen DDR-Problem - sie kämpfte gegen den Materialmangel an.

© SZ vom 24.12.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: