Man ging als Kind früher nicht einfach Schuhe kaufen. Man ging zu Salamander. Denn nach Erdulden der Anprobierprozeduren gab es ein Lurchi-Bildergeschichtenheft. Nun ist die Firma Salamander insolvent.
Der Feuersalamander, Held des Werbecomics und zoologisch korrekt als Schwanzlurch einzuordnen, droht Opfer des, nun ja, Raubtierkapitalismus zu werden. Fast die Hälfte der noch 900 Beschäftigten soll gehen. In Berlin, wo vor hundert Jahren die Handelskette startete, schließen sechs von sieben Filialen. Kinderschuhe soll es hier nicht mehr geben.
Ein liebenswerter Spießer - mit Tirolerhut
Lurchi aber ist, wohl mehr noch als Opel oder Karstadt, die Inkarnation der alten Bundesrepublik. Zugegeben: Lurchi ist ein Spießer. Er trug einen grünen Tirolerhut. Er sagte Sachen wie: "Pflegemittel nicht vergessen / darauf sind wir ganz versessen." Er sprach in Reimen; aufgeschrieben waren die in sauberer Schreibschrift.
Und doch: Die Pflegemittelwerbung kommt sympathisch direkt daher. Und komisch war die Figur Lurchi auch, wenngleich nicht immer freiwillig, so wollten es die Texter: "Wie doch so ein hohler Zahn / gleich die Welt verändern kann."
Lurchi war nie ein Nazi, er ging 1939 auf Tauchstation
Das erste Lurchi-Heft erschien 1937. Doch Lurchi war, auch das macht ihn zur bundesrepublikanischen Identifikationsfigur, nie ein Nazi. Am Ende seines ersten Abenteuers stehen sonst feindliche Kreaturen - Storch, Schlange, Eule - friedlich mit dem Salamander vereint im Schuhgeschäft. Mit Kriegsbeginn 1939 ging Lurchi auf Tauchstation. "1946 erholte sich das Unternehmen", heißt es in der Firmenchronik lapidar.
Lurchi: Spießer, Dichter, Verkäufer, ein Deutscher, mehr noch, ein Bundesbürger. Im Jahr 2000 wurde Lurchi im Zuge einer neuen Markenkampagne der Hut genommen, er reimt auch nicht mehr. Die Insolvenz zeigt, dass die Kunden die alte Marke - damit vielleicht sich selbst, dem Lurchi ähnlich - nicht mehr mochten. Zugleich aber hat Lurchis Modernisierung nichts genützt: Ein Menetekel für den Standort D.