Staatskrise in der Ukraine:Zurückhaltung im Kanzleramt

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In der Ukraine haben die Oppositionellen Kanzler Schröder aufgerufen, die Rolle des vermittlers anzunehmen und bei Russlands Präsident Putin vorstellig zu werden. Eindeutige Aussagen will Berlin aber nicht treffen.

Von Reymer Klüver

Nur einen kurzen, langen Moment stutzte Bela Anda, der Sprecher des Kanzlers. Da war er nämlich gerade gefragt worden, ob sein Chef Gerhard Schröder es genauso wie Außenminister Joschka Fischer für den "vernünftigsten Weg" halte, in der Ukraine die Präsidenschaftswahl zu wiederholen.

"Stimmt das?", zischelte Anda Fischers Sprecher Walter Lindner an, um dann, nach dessen bestätigendem Kopfnicken, staatstragend auszuführen, dass in der Ukraine "alle Beteiligten große Verantwortung tragen, dass die Krise im Rahmen von Recht und Gesetz" gelöst wird.

Schröder als Vermittler

Nein, ganz eindeutig und ohne Schwurbelsätze wollte sich die Stimme des Bundeskanzlers zum Kurs seines Herrn an diesem Montagmittag nicht äußern. Da hatte ja auch das Oberste Gericht in Kiew noch nicht entschieden. Doch in der Ukraine hatten Oppositionelle Schröder inzwischen aufgefordert, vermittelnd bei seinem Freund Wladimir Putin vorstellig zu werden.

Und so sah sich Anda genötigt, den möglichen Eindruck zu zerstreuen, dass der Kanzler aus lauter Rücksicht auf den Kreml-Patron den Demokraten in der Ukraine bislang die kalte Schulter gezeigt habe. Schröder, sagte Anda, sei schließlich der bisher einzige Staats- oder Regierungschef eines EU-Landes, der mit Putin über die Ukraine diskutiert habe.

Das war vergangenen Mittwoch und ist insofern richtig, als nur der amtierende EU-Ratsvorsitzende noch mit dem russischen Staatenlenker gesprochen hat.

Die Bundesregierung findet offenbar, dass zumindest Schröders Gespräch nicht ganz folgenlos geblieben ist. Jedenfalls habe Putin danach doch erklärt, dass er mit jedem demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine zusammenarbeiten werde, verkündete Anda.

Drei Punkte hatte Schröder nach den Worten seines Sprechers in dem Telefonat "eingebracht". Die Lösung des Konflikts müsse "auf der Basis der Verfassung" erfolgen. Das müsse friedlich geschehen und "im Dialog" aller Beteiligten.

Das solle aber nicht als unzulässige Einmischung des Westens missverstanden werden. "Anregung" war noch eine weitere der äußerst zurückhaltenden Vokabeln, die Anda verwendete. Ein starkes Wort hatte er aber doch parat. Deutschland, sagte er, habe "ein vitales Interesse an der strategischen Partnerschaft" - mit Russland.

© SZ vom 30.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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