Staatsdefizit:Neuverschuldung weit über Stabilitätsgrenze

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Die Haushaltskrise führt nicht nur in diesem Jahr zu einer Verletzung der EU-Stabilitätskriterien in Deutschland. Auch für 2004 muss Finanzminister Hans Eichel offenbar mit einer Neuverschuldung jenseits der Drei-Prozent-Grenze rechnen.

Die deutsche Defizitquote wird nach einem Bericht des Spiegel in diesem Jahr die Rekordmarke von 4,3 Prozent erreichen. Der Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wollte die Zahl am Samstag nicht kommentieren. Er bestätigte aber, dass Eichel am Mittwoch Eckdaten für den Nachtragshaushalt 2003 im Haushaltsausschuss des Bundestages vorlegen werde.

Eine Woche später solle dann das Kabinett den Nachtragshaushalt förmlich beschließen. Er werde ein Volumen von 23,6 Milliarden Euro haben, meldete das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Berechnungen des Ministeriums. Die Neuverschuldung steigt damit auf 42,5 Milliarden Euro - mehr als doppelt so viel wie geplant.

Eichel hatte bereits vor einer Woche eingeräumt, dass die Neuverschuldung über 40 Milliarden Euro liegen werde. Auch im kommenden Jahr wird das deutsche Defizit dem Spiegel zufolge erneut - und damit das dritte Mal in Folge - über der zulässigen Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen. Es liegt demnach bei 3,5 Prozent. Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln beträgt die Neuverschuldung des Bundes im kommenden Jahr voraussichtlich rund 42 Milliarden Euro.

Länder und Gemeinden müssen Schulden aufnehmen

Die Länder müssten 35 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, die Gemeinden zehn Milliarden Euro, meldete die Welt am Sonntag. Eichels Sprecher sagte, derzeit seien für die Haushaltsplanungen 2004 keine Veränderungen vorgesehen. Zunächst müsse das Ergebnis der Steuerschätzung am 6. November abgewartet werden.

Eigentlich wollte Eichel im kommenden Jahr wieder unter die drei-Prozent-Marke kommen. Bei drei Verstößen hintereinander gegen die EU-Vorschriften drohen Sanktionen aus Brüssel.

Die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nach Spiegel-Informationen in diesem Jahr überhaupt kein Wirtschaftswachstum in Deutschland. In ihrem Herbstgutachten, das am Dienstag vorgelegt werden soll, sagen die Institute demnach ein Nullwachstum voraus. Noch im Frühjahr hatten die Institute ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent berechnet.

Für das kommende Jahr bleiben die Institute dem Bericht zufolge aber bei ihrer Prognose von 1,8 Prozent Konjunkturzuwachs. Derzeit liegt die offizielle Prognose der Bundesregierung für dieses Jahr bei 0,75 Prozent Wachstum und für nächstes Jahr bei 2,0 Prozent. Eine neue Schätzung soll am 23. Oktober veröffentlicht werden.

Der Chef des Bundesverbands Deutsche Industrie (BDI), Michael Rogowski, nannte es in der Welt am Sonntag ein "verheerendes Signal", sollte Deutschland zum dritten Mal in Folge die Drei-Prozent-Hürde des Maastricht-Vertrages verletzen. Deutschland trage als größte Wirtschaftsnation der EU eine hohe Verantwortung, sagte er der "WamS".

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