Sprechstunden:Ärzte sollen Praxen auch samstags öffnen

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Krankenkassen wollen längere Sprechstunden. Die Mediziner sind empört: Wir arbeiten am Limit.

Von Max Ferstl, Berlin

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) fordert, dass deutlich mehr Arztpraxen abends und an Samstagen Sprechstunden anbieten sollen. "Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte", sagte Johann-Magnus von Stackelberg, Vizevorstandsvorsitzender des GKV, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Die derzeitigen Öffnungszeiten der Arztpraxen seien nicht zufriedenstellend.

Anlass der Kritik ist eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa, die der GKV in Auftrag gegeben hatte. Sie legt gravierende Mängel offen. Von den 1400 befragten Hausärzten, Kinderärzten, Augenärzten, Orthopäden, Gynäkologen und HNO-Ärzten gaben lediglich ein bis zwei Prozent an, am Samstagvormittag Sprechstunden anzubieten. Freitag- und Mittwochnachmittag bleiben 80 Prozent der Praxen geschlossen. Zwar bieten montags, dienstags und donnerstags nach 18 Uhr mehr als die Hälfte der Ärzte Sprechstunden an - nach 19 Uhr allerdings nur noch rund jeder zehnte. "Kein Wunder, dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen", sagte Stackelberg. Die Arztpraxen müssten ihre Öffnungszeiten patientenfreundlicher gestalten.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die rund 172 000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten vertritt, wies die Forderung vehement zurück. Die Aussagen des Kassenverbandes seien "ein Schlag ins Gesicht" der niedergelassenen Ärzte "und zeugen von der Ferne der Krankenkassenfunktionäre zur Versorgung von Patienten", sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. Er verwies auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der auch an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht erreichbar sei.

Laut KBV arbeiten niedergelassene Ärzte durchschnittlich 52 Stunden pro Woche und bieten oft mehr Sprechstunden an, als sie müssten. Vereinbart sind mit den Krankenkassen aktuell 20 Sprechstunden pro Woche, angeboten würden 32. Wann die Ärzte ihre Praxen jedoch aufsperren, dazu erhebt die Bundesvereinigung nach eigenen Angaben keine Statistik. "Die Kollegen arbeiten am Limit und oftmals darüber hinaus", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Anzahl der vorgeschriebenen Sprechstunden durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz auf 25 pro Woche erhöhen. Es seien aber "keine weiteren Maßnahmen geplant", sagte ein Ministeriumssprecher. Kassen und Ärzte müssten den Konflikt selbst lösen. "Grundsätzlich richtig" findet der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach die Forderungen der Krankenkassen. "Die Ärzte müssen deutlich flexibler werden", sagte er der SZ. Es könne nicht darum gehen, "wann es günstig für den Arzt" ist. Günstig für Patienten seien Sprechstunden am Abend oder früh am Morgen. Den Ärzten warf Lauterbach Untätigkeit vor: "Die ärztliche Selbstverwaltung hätte längst Vorschläge machen müssen."

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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