Spitzel-Vergangenheit:Wielgus täuschte angeblich den Papst

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Die polnischen Kirche kommt nicht zur Ruhe: Der Vatikan rüffelt den zurückgetretenen Warschauer Erzbischof per Interview, die polnische Medien watschen den ehrwürdigen Primas ab und ein weiterer ranghoher Priester muss seinen Posten räumen - wegen seiner Geheimdienst-Kontakte. Vermutlich stehen noch mehr Enthüllungen an.

Bei dem neuen Fall handelt es sich um einen Prälat der Krakauer Wawel- Kathedrale. Janusz Bielanski bat nur einen Tag nach dem Rücktritt des Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus den zuständigen Kardinal Stanislaw Dziwisz um die Entbindung von seinem Posten.

Der Kirchenobere nahm sofort an, berichtete der Nachrichtensender TVN 24. Das Nachrichtenmagazin Wprost hatte bereits vor einem Jahr berichtet, Bielanski sei Informant des früheren kommunistischen Geheimdienstes gewesen.

Derweil erklärte der Vatikan, dass ihm bis Ende vergangener Woche nichts vom ganzen Ausmaß der Spitzel-Tätigkeit von Wielgus bekannt war. Dies sagte der Präfekt der Bischofkongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, der Zeitung Corriere della Sera. "Als Monsignore Wielgus nominiert wurde, wussten wir nichts von seiner Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten", erklärte Battista Re. "Der Vatikan steht unter Schock", titelte die Zeitung La Repubblica.

Nach Auffassung des Heiligen Stuhls hat Wielgus - abgesehen von seinen Geheimdienstverstrickungen - zwei große Fehler gemacht: Zum einen habe er bis zum vergangenen Freitag öffentlich seine Kollaboration abgestritten, zum anderen habe er dem Vatikan während des Prozesses seiner Nominierung Informationen vorenthalten.

Systematisch zur Zusammenarbeit gedrängt

"Papst Ratzinger wurde persönlich in die Sache hineingezogen, als Wielgus versicherte, dem Heiligen Vater alles gebeichtet zu haben", schrieb La Repubblica. Jedoch warf das Blatt Benedikt XVI. gleichzeitig vor, der Kirche in Polen "mit einer eigensinnigen und am Ende nicht mehr tragbaren Entscheidung" geschadet zu haben.

Auch Kardinal Jozef Glemp, der Primas der katholischen Kirche Polens steht inzwischen in der Kritik. Glemp hatte in einer Predigt Wielgus gegen alle Anschuldigungen verteidigt - "Der große Fehler des Primas", wie die Zeitung Dziennik auf ihrer Titelseite befand. Die Worte des Primas hätten die Teilung zwischen Anhängern und Gegnern von Wielgus nur vertieft, urteilte die konservative Rzeczpospolita.

Vermutlich muss die polnische Kirche mit weiteren Enthüllungen rechnen. Zahlreiche Geistliche aus dem Freundeskreis des Krakauer Kardinals Dziwisz etwa seien vom Geheimdienst systematisch zur Zusammenarbeit gedrängt worden, berichtete Newsweek Polska. Das Interesse der Sicherheitsbehörden kam nicht von ungefähr - Dziwisz war erst der Kaplan von Karol Wojtyla und nach dessen Wahl zum Papst sein persönlicher Assistent.

Die Rechtfertigung, dem damaligen Regime nicht standgehalten zu haben, dürfte in der Kirche nicht als Entschuldigung akzeptiert werden. So sagte der Prager Kardinal Miloslav Vlk, die Druck des Geheimdienstes auf die Kirche in Polen sei nicht so stark gewesen wie in der damaligen Tschechoslowakei. Den Rat zur Abhilfe lieferte Vlk seinen polnischen Amtsbrüdern gleich mit: Intensives Aufarbeiten.

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