Spezialkräfte in der Kritik:Die da oben

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Esken spricht im Zusammenhang mit den rechtsextremistischen VErdachtsfällen bei der hessischen Polizei von einem "Alarmzeichen" für politisch Verantwortliche. (Foto: Uli Deck/dpa)

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken besucht die KSK-Kaserne Graf Zeppelin. Sie liegt auf einem Hügel über dem baden-württembergischen Calw.

Von Claudia Henzler, Calw

Hermann Hesse und Fachwerkhäuser: Das sind die Dinge, für die Calw im Nordschwarzwald gern bekannt wäre. Momentan macht die Stadt jedoch vor allem wegen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) Schlagzeilen, das seit 1996 in Calw heimisch ist. Der alte Stadtkern liegt unten im Tal der Nagold, die Kaserne oben auf einem Hügel, umgeben von dichtem Grün. An der Straße warnt ein Schild Neugierige davor, bis zur Schranke vorzufahren: "Vorsicht! Schusswaffengebrauch."

Calw und die Graf-Zeppelin-Kaserne hätten früher eine enge Beziehung gepflegt, sagt Oberbürgermeister Florian Kling (SPD). Als die Stadt mit ihren 24 000 Einwohnern noch nicht Standort des KSK war, da habe sich die Bundeswehr auch mal auf Stadtfesten präsentiert. "Zu irgendwelchen Feierlichkeiten sind Fallschirmspringer direkt hier auf dem Marktplatz gelandet. Auch wenn er als Oberbürgermeister regelmäßig Kontakt zu den Kommandanten habe und die Soldaten und Mitarbeiter der Kaserne in Calw und Umgebung wohnen: Eigentlich habe man so gut wie nichts miteinander zu tun. "Die sind da oben auf dem Berg und wir hier unten im Tal." Man könne auch "von einer Parallelwelt" sprechen.

Aus Klings Sicht muss auch dies Teil der notwendigen Veränderungen beim KSK sein: der Kontakt zur Bevölkerung, die Anbindung der Truppe an einen "Resonanzraum in der Gesellschaft". Er kann sich zum Beispiel Kamingespräche mit sicherheitspolitischen Diskussionen vorstellen oder eine Ausstellung über die Arbeit des KSK - soweit es die Notwendigkeit zur Geheimhaltung erlaubt. "Ich glaube, es hat über zu lange Zeit zu viel Geheimhaltung und zu wenig Transparenz und Kommunikation mit der Kaserne gegeben."

Die Kompetenz der Spezialkräfte werde gebraucht, sagt Esken. Aber nicht unbedingt die Struktur

Kling und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken haben sich am Montagmorgen in der Graf-Zeppelin-Kaserne von Kommandeur Markus Kreitmayr über die bevorstehenden Veränderungen informieren lassen. Zur anschließendem Pressekonferenz im Rathaus bringt Esken den Eindruck mit, "dass die Angehörigen beim KSK, insbesondere in der Führung verstanden haben, dass das jetzt eine sehr ernste Situation ist." Die Truppe wolle die von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgelegten Maßnahmen umsetzen. "Ob das reicht, wird man erkennen, wenn die Bewährungsfrist vorbei ist, Ende Oktober." Die Kompetenz der Spezialkräfte werde gebraucht, betont Esken. Das bedeute nicht automatisch, dass das KSK in seiner Struktur erhalten werden kann.

Calw ist Wohnort und Wahlkreis der Bundestagsabgeordneten. Schon nach einem Besuch Ende 2018 hatte Esken angemahnt, dass das KSK sich mit seiner Grundhaltung und Fragen der inneren Führung beschäftigen müsse. Kritik an der Reaktionsgeschwindigkeit des Kommandanten und der Verteidigungsministerinnen übt die SPD-Vorsitzende am Montag jedoch nicht. Im Gegenteil. Kreitmayr habe einen Öffnungskurs begonnen, sagt Esken, und Kramp-Karrenbauer habe nun korrekt reagiert: "Dass die zweite Kompanie aufgelöst worden ist, ist genau die richtige Konsequenz gewesen. Jetzt musste die Reißleine gezogen werden."

Die Gesellschaft habe insgesamt zu lange gebraucht, um die Bedrohung durch Rechtsextremismus ernst zu nehmen und mit ihr umzugehen, findet Esken. In beiden Teilen Deutschlands hätten sich rechtsextreme Netzwerke in den vergangenen Jahrzehnten ausbreiten und etablieren können.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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