Spesenskandal in Großbritannien:Ein Bär namens Brown

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Er wankt, aber er stürzt nicht: Wie ein wütender Bär bei der Hatz ist der britische Premier Brown bis aufs Äußerste geschwächt. Doch keiner der Angreifer hat den Mut, ihm den Gnadenstoß zu versetzen.

W. Koydl

Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Bärenhatz eine blutige, aber ungemein populäre Volksbelustigung in Großbritannien. Ein Bär wurde an einen Pfahl gekettet, dann ließ man Hunde auf ihn los, die sich in ihn verbissen und am ganzen Leib Verletzungen zufügten. Bären dürfen schon lange nicht mehr auf diese Weise malträtiert werden, aber die Leiden, welche Premierminister Gordon Brown erduldet, erinnern immer mehr Wähler an das berüchtigte bear-baiting.

Unter Druck: Der britische Regierungschef Gordon Brown. (Foto: Foto: AP)

Wie ein wütender Bär ist der Regierungschef bis auf den Tod geschwächt. Er blutet aus zahllosen Wunden, er wankt, aber er stürzt nicht. Doch keiner seiner Angreifer hat den Mut, sich ihm so weit zu nähern, dass er ihm den Gnadenstoß versetzen kann. Die Angst vor jenem Mann, der für seine Tobsuchtsanfälle und für seine lange anhaltende Rachsucht bekannt ist, hat noch jeden potentiellen Meuchler zurückschrecken lassen.

Was, wenn die Tat misslingt? Was, wenn der Bär sich losreißt und Vergeltung übt? Immer mehr Britinnen und Briten freilich wünschen sich ein Ende des Spektakels - wobei sie freilich nicht so sehr von Mitleid für Gordon Brown getrieben werden. Denn ein echter Sympathieträger war dieser Premier noch nie.

Viel schwerer wiegt die Erkenntnis, dass seine Regierung immer handlungsunfähiger wird. Obendrein ist das vom Spesenskandal gebeutelte britische Parlament in eine Schockstarre gefallen. Doch genau das kann sich das Land nicht leisten angesichts der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Auch Europa kann es nicht länger egal sein, dass sich Britannien mit sich selbst beschäftigt. Neuwahlen sind die einzige Chance für einen Neubeginn - je schneller, desto besser.

© SZ vom 02.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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