Spekulationen um Schewardnadse:Wechselbad in Baden-Baden

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Politiker hießen den gestürzten Präsidenten bereits willkommen. Doch der bleibt daheim.

(SZ vom 25.11.2003) - Stuttgart - Er kommt. Er ist schon da. Er ist nicht gekommen: Die Wogen der Nachrichten schwappten hoch und fielen in sich zusammen. Ein ähnlich schäumendes Wechselbad der Gefühle wie an diesem Montag hat die Kurstadt Baden-Baden nicht einmal durchlebt bei der glamourösen Vergabe des "deutschen Medienpreises" an Boris Jelzin oder Nelson Mandela.

Mittags schlug die elektrisierende Meldung im Südwesten ein, Eduard Schewardnadse sei soeben auf dem Baden-Airport in Söllingen gelandet. Der Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Wissmann kommentierte die vermeintliche Tatsache spontan gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Er begrüße den Aufnahmebeschluss der rot-grünen Bundesregierung, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Berliner Parlament. "Politische Treue beweist sich dann, wenn ein alter Freund am Boden liegt."

Günther Oettinger, Chef der CDU-Landtagsfraktion, sekundierte in Stuttgart: "Baden-Württemberg ist ein gastfreundliches Land." Freilich müsse auch für den um die deutsche Einheit verdienten Schewardnadse das hiesige Ausländerrecht gelten.

Ratlosigkeit in Baden-Baden

Es folgte das Dementi: Dem auf dem Baden-Airport einschwebenden Flugzeug waren nur drei russische Geschäftsleute entstiegen und kein gestürzter georgischer Präsident. Oettinger und Wissmann hielten ihre freundlichen Grußworte aufrecht - für den Fall, dass sich die Nachrichtenlage erneut ändern sollte.

In dem für die Polizei verantwortlichen Landesinnenministerium unter Thomas Schäuble (CDU) verwies man achselzuckend auf Otto Schily (SPD) in Berlin. In Baden-Baden war man ratlos wie im regionalen Bundesgrenzschutzamt in Weil am Rein. Der BGS-Behörde, lautete die Auskunft, werde vom Flughafenbetreiber jedes ankommende Flugzeug samt Zahl der Passagiere gemeldet. "Wir wissen aber nicht, wer drin sitzt."

Villa für elf Millionen Euro

Egal, wie sehr die Spekulationen auch wucherten, ein paar Gewissheiten gab es gestern trotzdem: Zum einen versicherte Bürgermeister Klaus-Michael Rückert namens der Baden-Badener Oberbürgermeisterin Sigrun Lang: "Wir sind eine weltoffene Stadt." Man habe in der Vergangenheit schon viele politische Persönlichkeiten empfangen, und selbstverständlich sei Schewardnadse willkommen.

Zum anderen scheint eine Vermutung zuzutreffen: Eine 1960 luxuriös erbaute, später von Max Grundig erworbene Villa in Toplage könnte Schewardnadses Ruhesitz werden. Vorausschauend hatte eine niederländische Gruppe Villa (900 Quadratmeter) und Park (drei Hektar) voriges Jahr für elf Millionen Euro gekauft.

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