SPD und CDU/CSU:"Putschartige Pläne" und "Taschenspielertricks"

Lesezeit: 2 min

Die Empörung in der Union über den Plan der SPD, die Unionsfraktion durch eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags zu sprengen, ist riesig. Es hagelt nur so Vorwürfe an die Sozialdemokraten, die sich selbst widersprechen: Während ein Fraktionsvize die Überlegungen bestätigte, dementierte Partei-Chef Müntefering.

Der niedersächsische CDU-Politiker Friedbert Pflüger hat der SPD vorgeworfen, die Geschäftsordnung des Bundestags manipulieren zu wollen. Er bezog sich dabei auf Pläne der Sozialdemokraten, die gemeinsame Fraktion von CDU und CSU zu spalten.

"Dieses Vorgehen trägt putschartige Züge", sagte Pflüger am Donnerstag der dpa. Man könne nicht mit einem Trick eine seit 50 Jahren gelebte und von allen akzeptierte Fraktionsgemeinschaft sprengen, um an der Macht zu bleiben. Pflüger war niedersächsischer CDU-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl.

Er forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, den Überlegungen innerhalb der SPD, die Fraktionsvize Gernot Erler bekannt gemacht hatte, Einhalt zu gebieten. Die für diesen Donnerstag geplanten Sondierungsgespräche mit der SPD seien jedoch nicht in Frage gestellt. "Herr Erler ist ja nun nicht die ganze SPD", sagte Pflüger. Die Überlegungen seien aber "Gift für eine spätere Zusammenarbeit" mit der SPD in einer möglichen großen Koalition.

Schäuble: Mangel an demokratischer Kultur

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Schäuble (CDU), warf den Sozialdemokraten in einer ersten Reaktion "Mangel an demokratischer Kultur" vor. Zugleich rief Schäuble Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, die Regel zu akzeptieren, dass die stärkste Fraktion den Regierungschef stellt. "Wir lassen nicht über Angela Merkel verhandeln, das wäre ja völlig wahnsinnig", zitierte das Nordwestradio von NDR und Radio Bremen den CDU-Politiker.

Aus der SPD gibt es widersprüchliche Signale, über die Absicht, die Unionsfraktion zu splaten. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler bestätigte einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach in seiner Partei solche Überlegungen angestellt werden: "Es gibt solche Bestrebungen, ja", sagte Erler im RBB-Inforadio.

SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering dementierte den SZ-Bericht. Die SPD betreibe keine Pläne, die Bildung von Fraktionsgemeinschaftern "zu behindern oder zu verhindern und sie beabsichtigt auch nicht, dies zu tun", stellte Müntefering am Donnerstag in einer Mitteilung klar.

Allerdings fügte er hinzu: "So sicher wie Fraktionsgemeinschaften möglich sein sollen, muss aber auch klar sein, dass Koalitionsgespräche von Parteien geführt werden und dass dabei die SPD 34,3 Prozent, die CDU 27,8 Prozent, FDP 9,8 Prozent, die Grünen 8,1 Prozent und die CSU 7,4 Prozent einzubringen haben. Und dass das Konsequenzen hat."

Politikwissenschaftler spricht von "Taschenspielertricks"

Falls CDU und CSU je eine eigene Fraktion bildeten, wäre die SPD die stärkste Gruppierung im Parlament und könnte daraus die Legitimation ableiten, den Bundeskanzler zu stellen.

Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermeyer bezeichnete die Überlegungen der SPD zur Änderung der Bundestagsgeschäftsordnung als "Taschenspielertrick". Er sehe "keine sinnvollen Möglichkeiten", die Unionsfraktion in CDU und CSU aufzubrechen, sagte Niedermeyer am Donnerstag der Hörfunkagentur dpa/Rufa.

Die Schwesterparteien als eine Fraktion zu begreifen, sei "guter Brauch, und die SPD hat das auch nie in Frage gestellt", sagte der Professor der Freien Universität Berlin weiter. Fraktions- und Parteiebene dürften nicht vermischt werden. CDU und CSU müssten demnach "als Einheit gezählt" werden. "Auf der Parteiebene sind es zwei getrennte Parteien, deswegen bekommen sie auch getrennt Wahlkampfkostenerstattung", so Niedermeyer.

Dem SZ-Bericht zufolge erwägt die SPD, sich durch eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages vor der Union zur größten Fraktion zu machen. Dadurch könnte die SPD ihren Anspruch untermauern, auch künftig den Kanzler zu stellen.

Die Änderung, für die die SPD möglicherweise auch Stimmen von Abgeordneten der Grünen und der Linkspartei benötigte, zielt darauf ab, die bisherige Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU zu sprengen.

Die Sozialdemokraten könnten dann als stärkste Partei in Koalitionsverhandlungen gehen und zudem das Recht beanspruchen, weiterhin den Parlamentspräsidenten zu benennen.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: