Sozialdemokraten:SPD stimmt für Gespräche mit Union

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Der Parteitag bestätigt Martin Schulz mit 81,9 Prozent im Amt und billigt seine Absicht, mit Kanzlerin Merkel zu verhandeln - allerdings ohne Vorfestlegung auf eine große Koalition.

Von Nico Fried, Berlin

„Ich wünsche mir, dass auf der Grundlage dieses Ergebnisses bessere Zeiten kommen“: Martin Schulz nach seiner Wiederwahl. (Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Die SPD ist bereit, mit der Union über die Bildung einer Bundesregierung zu sprechen. Allerdings sehen die Sozialdemokraten darin keine Vorentscheidung für eine große Koalition. Ein entsprechender Vorschlag der Parteiführung erhielt auf dem Parteitag in Berlin eine deutliche Mehrheit. Die Delegierten stellten sich damit nach einer mehrstündigen Debatte hinter eine Kursänderung der Parteispitze. SPD-Chef Martin Schulz und der Parteivorstand hatten nach der Bundestagswahl und dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen wiederholt eine große Koalition ausgeschlossen. Diese Festlegung ist nun vorerst vom Tisch. Als Konzession an die Skeptiker beschlossen die Delegierten, dass bereits über die Ergebnisse der Sondierungen und das weitere Vorgehen ein Sonderparteitag beraten wird. Sollte es danach zu einer Vereinbarung mit der Union über die Regierungsbildung kommen, wird die Basis in einer Mitgliederbefragung entscheiden.

Schulz, der die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl geführt hatte, übernahm die Verantwortung für das Ergebnis von 20,5 Prozent. Er bat alle, die auf die SPD gesetzt hätten, um "Entschuldigung für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage". Der Vertrauensverlust der Politik treffe die SPD besonders hart. "Unser größtes Problem ist, dass wir unser klares Profil verloren haben." Bei seiner erneuten Wahl zum Parteichef erzielte Schulz 81,9 Prozent. Das beste Ergebnis bei den Stellvertretern erzielte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit 97,5 Prozent. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz erhielt nur 59,2 Prozent. Bayerns neue SPD-Chefin Natascha Kohnen wird mit 80,1 Prozent ebenfalls Parteivize.

Mit Blick auf die Regierungsbildung warb Schulz für Gespräche mit CDU und CSU: "Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Wir dürfen aber auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen." Praktisch die ganze Parteispitze, aber auch prominente Ministerpräsidenten wie Malu Dreyer und Stephan Weil, ergriffen in der Debatte das Wort und stützten die Empfehlung des Parteichefs. Am deutlichsten setzte sich Fraktionschefin Andrea Nahles dafür ein, auch für eine große Koalition offen zu sein. Sie forderte von der SPD, sich selbstbewusst auf die Durchsetzung ihrer Ziele zu konzentrieren.

Der Vorsitzende der Jungsozialisten, Kevin Kühnert, sprach sich hingegen vehement gegen eine Regierungsbeteiligung der SPD aus. "Die Erneuerung der SPD wird außerhalb einer großen Koalition sein oder sie wird nicht sein", sagte Kühnert. Es habe in Deutschland 16 große Koalitionen mit der SPD als kleinerem Partner gegeben, nur aus vieren sei die SPD als stärkste Partei hervorgegangen. Aus Sicht der jungen Generation, die in Zukunft Verantwortung in der SPD übernehmen müsse, gebe es eine Verantwortung, "dass noch etwas übrig bleibt von diesem Laden".

Martin Schulz skizzierte in seiner Rede auch sein europapolitisches Ziel: Er will die Europäische Union bis 2025 in die Vereinigten Staaten von Europa mit einem gemeinsamen Verfassungsvertrag umwandeln. Die EU-Mitglieder, die dieser föderalen Verfassung nicht zustimmen, müssten automatisch die EU verlassen, sagte Schulz, der bis 2016 Präsident des Europaparlaments war. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte zurückhaltend auf diesen Vorstoß. Ihr gehe es bis 2025 vor allem um mehr Handlungsfähigkeit der EU. Die EU-Staaten müssten in vielen Bereichen stärker kooperieren.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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