SPD-Plus:Kirchhof hilft Schröder

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Die vergangenen Wochen erinnern an die Endphase des Wahlkampfs 2002: Die SPD holt in den Umfragen stark auf. Führende Meinungsforscher erklären, warum Schröder wieder zieht und wo die Grenzen der sozialdemokratischen Aufholjagd liegen.

Sven Böll

Für die führenden Meinungsforscher der Republik stehen bei der Erklärung der Aufholjagd der SPD zwei Personen im Mittelpunkt: Gerhard Schröder und Paul Kirchhof.

"Die Trumpfkarte Schröder zieht wieder", sagt Manfred Güllner von Forsa. Dem Bundeskanzler sei es beim TV-Duell am vergangenen Sonntag gelungen, insbesondere aus dem Lager der Unentschlossenen viele Wähler zurückzugewinnen. Dies seien vor allem der SPD nahe stehende Menschen, die sich in den vergangenen Monaten aus Enttäuschung von der Regierung abgewandt hätten. Die Zugewinne der SPD beruhten aber vor allem auf Verlusten der Grünen und der Linkspartei. "Das schwarz-gelbe Lager ist ja seit Monaten relativ stabil", so Güllner.

Dass es dem Bundeskanzler aber in Folge des TV-Duells auch gelungen ist, auf Kosten der Union zu punkten, führt Richard Hilmer von Infratest-dimap auf das "große Plus an Glaubwürdigkeit und Kompetenz" für Schröder zurück. So habe die SPD in fast allen Kompetenzfeldern deutlich zulegen können.

"Sozial ungerecht zieht wieder"

Der Sympahtiegewinn für Schröder und die SPD sei auch bei den Leuten zu beobachten, die das Fernsehduell gar nicht verfolgt hätten. "Es gibt eine große Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung", so Hilmer. Damit verweist er auf die Tatsache, dass Schröder zwar nach Meinung der Zuschauer das Duell gewonnen hat, zahlreiche Medien aber das überraschend gute Abschneiden von Angela Merkel herausgestellt haben.

"Dieser Aha-Effekt von Merkel ist seither verpufft", sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Der Kanzler habe seine eigene Klientel besser überzeugen können. Schröder habe die SPD als "Schutzpartei gegen den sozialen Kahlschlag" profiliert, meint Klaus-Peter Schöppner von Emnid. "Sozial ungerecht zieht wieder", glaubt auch Hilmer.

Dass sich der Bundeskanzler dabei an Paul Kirchhof abarbeite, sei kein Zufall. Schöppner weiter: "Der Finanzexperte hat den blutleern Wahlkampf mit Inhalt gefühlt". Seine klaren und marktwirtschaftlichen Positionen eigneten sich bestens zur Polarisierung.

"Bedingunglose Personalisierung" von Schröder

Durch die Person Kirchhof werde dem Bürger jedoch klar, dass die Wahl am 18. September tatsächlich eine Richtungswahl sei. Es gehe um "Systemwechsel oder Optimierung des Status quo", sagt Hilmer.

Zu welcher Alternative die Mehrheit am 18. September tendiert, wagen die Meinungsforscher nicht zu prognostizieren. Zwischen den beiden wahrscheinlichsten Alternativen Schwarz-Gelb und Große Koalition habe es jedoch in den vergangenen Tagen eine "deutliche Verschiebung zur Großen Koalition" gegeben, so Hilmer. Es sei viel Bewegung in ein lange Zeit festgefügtes System gekommen.

Die SPD werde auf die "bedingungslose Personalisierung" von Schröder setzen, meint Jung. Ob das am Ende für eine strategische Minderheitenposition reiche, hänge auch vom Verhalten der Union ab. "Sie muss versuchen, die Leistungsbilanz der Regierung wieder in den Vordergrund zu rücken", rät Schöppner. Nur Güllner traut sich etwas weiter: "Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die SPD noch stärkste Partei wird." Sie habe ihr Potenzial weitgehend ausgeschöpft.

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