SPD-Pläne in Hessen:Metzger verweigert Ypsilanti die Stimme

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Die hessische SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger will Andrea Ypsilanti bei einer Tolerierung durch die Linkspartei nicht zur Ministerpräsidentin wählen. Damit bringt sie die Landeschefin in eine schwere Bredouille.

Die hessische SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger bleibt bei ihrem Nein zu einer Regierungsübernahme mit Hilfe der Linkspartei. Das Gespräch mit Parteichefin Andrea Ypsilanti habe sie nicht bewogen, ihre Entscheidung zu revidieren, sagte Metzger am Freitag in Wiesbaden. In ihrer Freitagsausgabe hatte die Süddeutsche Zeitung bereits berichtet, Metzger plane, Ypsilanti die Stimme zu verweigern.

Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti kämpft mit dem Widerstand aus der eigenen Partei. (Foto: Foto: ddp)

Die Landtagsabgeordnete fühlt sich an ihr Versprechen im Wahlkampf gebunden, die SPD werde auf keinen Fall mit der Linkspartei paktieren.

Wegen des SPD-internen Streits über den Umgang mit der Linkspartei haben die hessischen Grünen inzwischen um eine Verschiebung der Koalitionsverhandlungen gebeten.

"Wir nehmen zur Kenntnis, dass es in dieser Situation noch Gesprächsbedarf innerhalb der SPD gibt", heißt es in einem Schreiben der Grünen-Landesvorsitzenden Tarek Al-Wazir und Kordula Schulz-Asche an Ypsilanti, das vor Beginn des Krisengesprächs zwischen Ypsilanti und Metzger publik gemacht worden war. Die Verhandlungen sollten an diesem Freitag beginnen.

Die Grünen seien nach wie vor bereit, gemeinsam mit der SPD eine Minderheitsregierung zu bilden. "Allerdings müssen wir uns darauf verlassen können, dass auch alle 42 Abgeordneten der SPD-Fraktion das so sehen", heißt es in dem Brief.

"Zu riskant"

Bisher gingen die Grünen nach eigenen Angaben davon aus, dass die SPD-Fraktion im Laufe des Wochenendes die Lage klären und man am Montag mit den Koalitionsverhandlungen beginnen könne. Vor einer solchen Klärung sei ein Beginn der Gespräche nicht sinnvoll.

Auch aus anderen Teilen der SPD regt sich gegen die Koalitionspläne von Ypsilanti Widerstand. Die beiden konservativen SPD-Flügel, die Seeheimer und die Netzwerker, haben sich erneut scharf von der Partei Die Linke abgegrenzt und den Weg der hessischen SPD massiv kritisiert. "Was vor einer Wahl galt, muss auch danach gelten", heißt es am Freitag in einer Erklärung des Netzwerkes, eines Zusammenschlusses von eher pragmatisch orientierten SPD-Abgeordneten.

"Gibt es vor einer Wahl Festlegungen und verbindliche Aussagen zu bestimmten Koalitionsoptionen, müssen diese selbstverständlich auch nach der Wahl Bestand haben. Glaubwürdigkeit ist ein strategischer Wert von wahlentscheidender Bedeutung", heißt in der Erklärung der Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs, Klaas Hübner und Petra Ernstberger.

Beide Gruppen stellen sich zwar hinter den Beschluss des SPD- Parteivorstandes, der es den Landesverbänden überlässt, über ein Zusammenwirken mit den Linken zu entscheiden. Die Seeheimer betonen jedoch, dass sie "unter derzeitigen Gegebenheiten" nicht nur im Bund sondern auch in den alten Bundesländern eine Zusammenarbeit mit der Linken ablehnen, da sich deren westdeutscher Teil "weitgehend aus Altkommunisten, Sektierern und gescheiterten Sozialdemokraten zusammensetzt".

Die Linke lasse sich "weder wegtabuisieren noch wegkoalieren, sondern nur wegargumentieren". Dies gelinge nur durch Programm, Personal und Glaubwürdigkeit. "Wir wollen nicht Gesinnungspartei werden, sondern Volkspartei bleiben", heißt es in der Seeheimer-Erklärung.

Ähnlich äußerte sich auch Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner. Zwar liege die Entscheidung über Koalitionen in den Händen der Landesverbände. "Aber meine Meinung hat sich nicht geändert: Eine Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen wäre eine eklatanter Fehler, weil sie unsere Glaubwürdigkeit im Bundestagswahlkampf massiv beschädigen würde".

Die Abgeordnete der hessischen SPD, Dagmar Metzger, auf dem Weg zur Parteivorsitzenden Andrea Ypsilanti. (Foto: Foto: AP)

Der SPD-Politiker Johannes Kahrs erklärte in der Passauer Neuen Presse: "Bei so viel Risiko ist das Scheitern programmiert. Ich halte das für nicht verantwortbar." Es sei schlauer, die CDU im Amt zu lassen und mit Grünen, FDP und Linken Inhalte durchzusetzen. "So wird Koch als Ministerpräsident bewegungsunfähig - und nach zwei Monaten ist der Fall Koch ein Fall Merkel."

Kahrs hat nach eigenen Worten Verständnis für Metzger. Alle Landtagsabgeordneten hätten vor der Wahl versprochen, nicht mit den Linken zusammenzuarbeiten - nun habe Ypsilanti sie "in eine schwierige Situation gebracht", wurde er zitiert.

"Inhalte wichtiger als Posten"

Der hessische SPD-Unterbezirk Main-Kinzig wandte sich in einer am Freitag im Internet veröffentlichten Erklärung gegen jegliche Zusammenarbeit mit der Partei. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Sozialdemokratie dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden, hieß es.

"Wir bleiben bei der Aussage, die wir vor, während und nach der Wahl in aller Klarheit getroffen haben: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei." Hessen brauche eine stabile Regierung, die klare parlamentarische Mehrheiten aufweist. "Uns Sozialdemokraten sind Inhalte wichtiger als Posten."

Der SPD-Unterbezirk plädierte zugleich für eine Ablösung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Dafür sei ein inhaltlicher Diskurses mit allen im Parlament vertretenen demokratischen Parteien notwendig. "Sollte dies in den nächsten Monaten keine Erfolge bringen, sind Neuwahlen anzustreben, um klare Verhältnisse für Hessen zu schaffen", hieß es in der Erklärung.

Selbst im linken Spektrum der SPD gibt es offenbar Zweifel. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, sagte der Rheinischen Post, er halte es zwar für richtig, dass Koch weg müsse. Aber das gehe nur mit einer sicheren Mehrheit Ypsilantis. "Sollte sie die Wahl zur Ministerpräsidentin gewinnen, halte ich Neuwahlen für die sinnvollste Lösung."

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, selbst Kopf eines rot-roten Bündnisses, ließ mit Blick auf Hessen leise Skepsis anklingen: "Für die Regierungsarbeit braucht es Verlässlichkeit, da hat man wenig Erfahrung mit den West-Linken." Zugleich warnte er in der Frankfurter Rundschau aber erneut vor einer Tabuisierung der Linken.

Kranker Abgeordneter wird wählen

Die Wahl Ypsilantis in Form der angestrebten Minderheitsregierung aus SPD und Grünen drohte zwischenzeitlich auch deshalb zu scheitern, weil der SPD-Abgeordnete Heinz Lotz schwer erkrankt ist. Doch dessen Ehefrau sagte nun der Berliner Tageszeitung B.Z., dass Ypsilanti mit der Stimme ihres Mannes rechnen könne.

"Mein Mann ist gestern erfolgreich an Darmkrebs operiert worden, wird in 14 Tagen wieder aus dem Krankenhaus kommen und nimmt dann auf jeden Fall an der Abstimmung teil, denn er will unbedingt für Frau Ypsilanti stimmen", sagte sie der Zeitung.

© AP/dpa/AFP/gal/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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