SPD:Müntefering rüffelt Schröders Minister

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In Abwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder hat SPD-Chef Franz Müntefering Disziplinlosigkeiten in der Bundesregierung kritisiert und mehr Geschlossenheit gefordert. Zugleich beendete Müntefering eine von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ausgelöste Diskussion um Kürzungen beim Aufbau Ost.

Von Nico Fried

Müntefering äußerte sich unzufrieden mit dem jüngsten Erscheinungsbild der Regierung, das sich auch negativ auf die SPD auswirke. "Wir waren vor vier Wochen schon mal weiter, was Umfragen und Stimmungslage angeht", sagte Müntefering dem Spiegel. "Die Inhalte sind wichtig, aber wenn das plötzlich durcheinander geht und die Stimmung verdirbt, reagieren die Menschen allergisch."

Als Lektion aus den vergangenen Wochen bezeichnete es Müntefering, "dass Disziplin eben keine Sekundärtugend, sondern eine elementare politische Voraussetzung für Erfolg ist".

Dagegen nahm Müntefering Bundeskanzler Gerhard Schröder ausdrücklich gegen Vorwürfe in Schutz, ihm mangele es an Autorität. "Dass der eine oder andere Mitspieler den Ball auch mal in die falsche Richtung schiebt, kann immer wieder passieren. Da kann der Spielführer nichts dafür", sagte Müntefering mit Blick auf Schröder. Der Kanzler befindet sich derzeit auf einer Lateinamerika-Reise.

In Teilen der SPD wird allerdings immer häufiger darauf hingewiesen, dass frühere Appelle Schröders an die Disziplin der Kabinettsmitglieder bislang nichts gefruchtet hätten.

Dem Bundeskanzler voraus

Mit seinen Äußerungen hat Müntefering zum wiederholten Mal binnen weniger Wochen Themen gesetzt beziehungsweise Klarstellungen geliefert, die der Bundeskanzler vermieden hatte. Vor kurzem hatte der SPD-Chef bereits eine Überprüfung des Drei-Prozent-Kriteriums aus dem Maastricht-Vertrag angeregt, zugunsten einer Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung.

Schröder erklärte dies nach anfänglichem Zögern erst einen Tag später zur gemeinsamen Position. Kurz darauf beschleunigte Müntefering die SPD-interne Vorbereitung für eine Bürgerversicherung, während der Kanzler sich bislang noch nicht auf einen Systemwechsel in der Krankenversicherung festgelegt hat.

Müntefering reagierte mit seinen Äußerungen zur Disziplinlosigkeit zwei Wochen vor der Europawahl und der Landtagswahl in Thüringen offenbar auch auf wachsenden Unmut der SPD-Basis, der sich zuletzt vor allem gegen Wirtschaftsminister Clement und Verkehrsminister Manfred Stolpe gerichtet hatte. Stolpe wird vorgehalten, durch ungeschickte Vermittlung eine überflüssige Diskussion über Maut-Gebühren mit angefacht zu haben.

Kritik gegen Clements Alleingänge

Clement war durch Alleingänge aufgefallen, unter anderem mit seinem Vorstoß zur Abschaffung des Sparerfreibetrages sowie zu Kürzungen beim Aufbau Ost. Vor allem aus Landesverbänden, die sich in Landtags- oder Kommunalwahlkämpfen befinden, hatte es daraufhin Kritik gehagelt. Selbst aus Clements Landesverband in Nordrhein-Westfalen war zu hören, dass der Minister den ohnehin schon schwierigen Wahlkampf zusätzlich belaste. Bereits am Donnerstagabend hatte Müntefering Clements Erwägungen zu Kürzungen beim Aufbau Ost zurückgewiesen.

In einem Fernsehduell mit CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel legte sich Müntefering fest, dass es über den im Vermittlungsausschuss mit der Opposition vereinbarten Subventionsabbau keine weiteren Streichungen bei der so genannten Gemeinschaftsaufgabe Ost geben werde. Clement hatte den neuen Ländern vor kurzem angekündigt, dass er wegen der angespannten Haushaltslage bei den Verpflichtungen des Bundes aus der Gemeinschaftsaufgabe in den nächsten drei Jahren Kürzungen von zum Teil bis zu 65 Prozent prüfe.

Der SPD-Vorsitzende Müntefering sagte nun im ZDF, die Gemeinschaftsaufgabe werde lediglich "so reduziert, wie alle anderen Bereiche auch". Das bedeute in der mittelfristigen Finanzplanung in den nächsten drei Jahren eine Kürzung von "etwa zehn Prozent".

© SZ vom 29.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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