SPD im Wahlkampf:Klassenbester

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Blick nach oben: Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sind auf der Karriereleiter offenbar noch Sprossen frei. Er wird in der Partei für alle denkbaren Zukunftsoptionen gebraucht. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Ohne Olaf Scholz geht derzeit kaum etwas in der SPD und für Kanzlerkandidat Schulz. Er scheint so unentbehrlich geworden zu sein, dass er selbst von einem schwachen Wahlergebnis im September profitieren könnte.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Vor ein paar Tagen ist Olaf Scholz ein bisschen gewandert, er war in den Elbauen unterwegs. Das ist, zumal für den Hamburger Bürgermeister, kein überragend exotisches Ziel. Auch der Schwierigkeitsgrad hält sich in Grenzen. Doch Scholz, 59, hat von seinem Ausflug eine leichte Sommerbräune mitgebracht, die ihm, zusammen mit einer für sozialdemokratische Verhältnisse geradezu gewagten pinken Krawatte, bei seinem Auftritt am Montagmittag ein regelrecht jung-dynamisches Aussehen verlieh. Was umso mehr auffiel, als er bei der Präsentation des SPD-Steuerkonzepts neben dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz stand. Dem sah man die vergangenen Wochen durchaus an.

Äußerlichkeiten in der Politik, Olaf Scholz kann über so etwas nur verächtlich die Nase rümpfen - doch in diesem Fall korrespondiert der äußere Anschein einfach zu gut mit der aktuellen Machtstatik der Sozialdemokratie: Scholz ist obenauf. Ohne ihn geht wenig in der SPD. So mächtig wie jetzt war er in der Partei wohl noch nie.

Der Olaf werde das schon machen, heißt es bei der SPD derzeit immer wieder

Nicht nur beim Steuerkonzept redete er mit. Auch in den Prozess zum Rentenkonzept der Sozialdemokraten war er eingebunden. Keinen zentralen Inhalt gibt es derzeit, bei dem Parteichef Schulz sich nicht vor der Veröffentlichung mit seinem Stellvertreter Scholz abstimmen würde. Der hat nach der Niederlage von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen auch noch die Aufgabe übernommen, die SPD-regierten Bundesländer vor dem Bundesrat zu koordinieren. Und vor dem Parteitag am Sonntag tut er, wie schon seit Jahren, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt einen besonders wichtigen Dienst: Als Chef der Antragskommission ist er wieder einmal dafür zuständig, dass einerseits dem Vorsitzenden nicht der Parteitag um die Ohren fliegt, weil allzu weit gehende Änderungswünsche der Basis beschlossen werden. Andererseits muss er darauf achten, dass sich die in dieser Hinsicht besonders sensible sozialdemokratische Basis nicht zum Abnick-Verein degradiert fühlt. Das ist ein Job, der sowohl Fingerspitzengefühl als auch Durchsetzungsvermögen verlangt - doch in den vergangenen Wochen hörte man in der Partei immer wieder: "Der Olaf" werde das schon machen.

Schulz braucht Scholz aber nicht nur wegen dessen Geschick im Umgang mit der Partei. Vor allem schätzt Schulz, der lange wenig mit den innenpolitischen Feinheiten zu tun hatte, den Sachverstand des Bürgermeisters, der bis Ende 2009 zwei Jahre Bundesarbeitsminister war und auch bei der Präsentation des Steuerkonzepts am Montag fachlich den besten Eindruck machte. Auf eine Detailfrage, die Schulz an Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel weitergereicht hatte, antwortete der zunächst, es gehe um einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag". Worauf sich Scholz einschaltete und präzisierte: "Wenn man es großzügig ausgestaltet wahrscheinlich nicht mehr als 800 Millionen Euro."

Scholz' Hang zum Schlaubergertum schätzen nicht alle an der Parteispitze uneingeschränkt. Auch Schulz' Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden, Sigmar Gabriel, hat dem Mann aus Hamburg lange eher misstraut. In jener Phase allerdings, in der er nach einem geeigneten Kanzlerkandidaten suchte, spielte der Name Scholz bei Gabriel zwischenzeitlich durchaus eine Rolle. Wie ernsthaft diese Überlegungen waren und ob Scholz tatsächlich, wie von manchen in Berlin kolportiert, lediglich zu zögerlich war, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Fest steht jedenfalls, dass sich Scholz im Juni 2016, als (beinahe) alle Welt noch von einem Kanzlerkandidaten Gabriel ausging, für seine Verhältnisse äußerst weit aus dem Fenster lehnte. Der Welt am Sonntag sagte er damals: "Wenn wir einen Kandidaten aufstellen, den die Bürgerinnen und Bürger als Kanzler wollen, wirkt sich das bei Wahlen aus, das gibt schnell zehn Prozentpunkte obendrauf." Wen er damit meinte, ließ er offen.

Kandidat wurde dann Martin Schulz, wodurch Olaf Scholz sich nun in einer vergleichsweise komfortablen Situation befindet. Sollte Schulz bei der Bundestagswahl im September ein gutes oder auch nur achtbares Ergebnis holen, wird Scholz als einer derjenigen gelten, die dazu beigetragen haben. Sollte Schulz sich dann an der Parteispitze halten, dürfte er außerdem weiter Rat und Unterstützung in Hamburg suchen - Scholz' Einfluss wäre gesichert.

Und im Fall eines schwachen Ergebnisses (wobei bis September noch viel diskutiert werden dürfte, was unter "schwach" zu verstehen ist)? Stünde Scholz für einen Neuanfang bereit. Mit Arbeitsministerin Andrea Nahles, die ebenfalls als Kandidatin für einen eventuellen Neuanfang gilt, versteht er sich übrigens ausgezeichnet.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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