SPD-Debakel in Hessen:Fiasko und Humbug

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Die Regierungsbildung in Hessen sorgt in der SPD weiter für erbitterten Streit, auch wenn die Parteilinke SPD-Chef Beck den Rücken stärkt und die hessischen Sozialdemokraten Andrea Ypsilanti stützen. Auch die Grünen sind in Hessen gegen ein Techtelmechtel mit der Linken.

Die Parlamentarische Linke (PL) in der SPD- Bundestagsfraktion unterstützt nach den Worten ihres Sprechers Ernst Dieter Rossmann geschlossen den Kurs von SPD-Chef Kurt Beck.

Will alle Möglichkeiten nutzen: Die hessische SPD-Chefin und Anwärterin auf das Amt des Ministerpräsidenten, Andrea Ypsilanti. (Foto: Foto: Reuters)

"Selbstverständlich bleibt Kurt Beck weiter Vorsitzender", sagte Rossmann am Sonntag in Berlin. Er gehe davon aus, dass nach der Genesung von Beck nun wieder über Inhalte diskutiert werde. "Die Debatte über Bündnisfragen lenkt von diesen Inhalten nur ab," sagte Rossmann.

Die Bürger fragten nicht nach der Bündnispolitik, sagte Rossmann weiter. Er sorge sich beispielsweise um seine Rente oder um die Miethöhe. Dazu wolle er Antworten von der SPD wissen.

"Ein klares Wort zu den Disziplinlosigkeiten"

Der schleswig-holsteinische SPD-Chef und Parteilinke Ralf Stegner, erwartet von Beck an diesem Montag im SPD-Präsidium ein "offensives Auftreten" und ein "klares Wort zu den Disziplinlosigkeiten der vergangenen Wochen". Stegner hatte am Wochenende an einer PL- Fachtagung zur Föderalismusreform II teilgenommen.

Becks Stellung in der SPD sei viel besser als dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, sagte Stegner. Durch Becks Kurs und den von ihm geprägten "inhaltlichen Aufbruch der SPD auf dem Hamburger Bundesparteitag können wir überhaupt erst wieder über eine Regierungsbeteiligung in Hessen reden". Stegner zeigte sich überzeugt, dass Beck nach seiner Rückkehr "auch nach außen wieder zeigen wird, dass er der Chef ist".

Stegner: "Die Debatte über Reservekandidaten ist Humbug." Sie habe "zwar eine mediale Unterstützung, aber keine Substanz an der SPD-Basis". PL-Vize-Sprecher Niels Annen sagte: "Ich bin sicher, wir werden einen selbstbewussten Parteichef erleben, der sich auf seine Partei verlassen kann."

Harsche Kritik übte hingegen die Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) in der Bild am Sonntag: "Ich kann über dieses Fiasko nur noch den Kopf schütteln. Ich rate Frau Ypsilanti, Roland Koch ohne Mehrheit regieren zu lassen und vor sich herzutreiben."

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, forderte die hessische Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger auf, ihr Mandat nicht niederzulegen und bei ihrer ablehnenden Haltung zum Kurs Ypsilantis zu bleiben. "Frau Metzger hat viel für die Glaubwürdigkeit der SPD getan. Es war und ist in der Sache richtig, das zu halten, was man dem Wähler versprochen hat", sagte Kahrs.

Die Grünen lehnen einen schnellen neuen Anlauf Ypsilantis ab, sich mit Hilfe der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Sowohl der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer als auch der hessische Partei- und Fraktionschef Tarek Al-Wazir warnten die SPD vor einem derartigen Vorhaben - auch im Fall einer Mandatsniederlegung ihrer abtrünnigen Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger.

Neben den Stimmen der eigenen Partei und der Linken würde die hessische SPD-Vorsitzende Ypsilanti im Landtag auch die der Grünen benötigen. "Über das Hin und Her der SPD in Hessen kann ich nur den Kopf schütteln", erklärte Bütikofer in Berlin. Ypsilanti habe sich offenkundig diskreditiert. "Das wird durch Mobbing gegen die SPD- Abgeordnete Metzger noch getoppt. Vielleicht würde ein vorgezogener Osterurlaub und ein bisschen Nachdenken helfen."

Auch der hessische Grünen-Vorsitzende Al-Wazir riet im Gespräch mit der Tageszeitung zum Abwarten, da die hessische SPD den Kurs Ypsilantis "nicht in ihrer Gesamtheit" mittrage. Zu einer Regierungsbildung müsse erst die SPD klären, was sie wolle. "Da dürfen nicht bei wichtigen Sitzungen die Leute im Skiurlaub sein." Zugleich bekräftigte er die Absage der hessischen Grünen an eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Das gelte auch, wenn die CDU doch mit einem anderen Spitzenmann als Ministerpräsident Roland Koch antrete.

SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte bereits am Samstag erklärt: "Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt. Diese Entscheidung war kontraproduktiv zu dem, was wir in Bezug auf die Linken auf der Bundesebene planen."

Ypsilanti sagte, die SPD werde alle Möglichkeiten nutzen, ihre Vorstellungen etwa per Gesetzesinitiativen im Landtag durchzusetzen. Ausdrücklich nannte sie dabei die Rücknahme der Studiengebühren. Der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Manfred Schaub sagte, der Parteirat habe sich einvernehmlich hinter Ypsilanti gestellt. Es sei in allen Redebeiträgen sehr deutlich geworden, dass die Vorsitzende einen großen Anteil am "herausragenden Wahlergebnis" der SPD gehabt habe.

Die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger, die Ypsilanti bei einer Wahl mit Hilfe der Linken die Stimme verweigern wollte, will in den kommenden Tagen über eine Mandatsniederlegung entscheiden.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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