SPD-Abweichler:Drohgebärden aus Nürnberg

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Vor dem Sonderparteitag der SPD fahren die sozialdemokratischen Rebellen schweres Geschütz auf. Ihre Sammelbewegung solle alle von der Regierung frustrierten Menschen auffangen, und den Druck auf die Koalition erhöhen. Die Gründung einer neuen Partei sei aber vorerst nicht geplant.

Von Peter Schmitt

Sie haben sich alle Urlaub genommen für diesen Tag, an dem sie angetreten sind, um von Nürnberg aus in die Geschicke der SPD und die Geschichte der Bundesrepublik einzugreifen.

Die sieben Funktionäre der IG Metall in Bayern, die vor zehn Tagen eine Internet-Initiative für "Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (ASG) starteten, wollten nicht in Konflikt mit ihrem Arbeitgeber kommen, sondern ihre Jobs bei der Gewerkschaft und ihre jüngsten politischen Ambitionen voneinander getrennt halten.

"Unser Zeitfenster ist sehr weit"

"Die IG Metall wird durch unser Vorgehen keinen Millimeter Schaden nehmen", beschwichtigte der Fürther Bevollmächtigte Thomas Händel nach Einwänden des bayerischen Landesbezirkschefs Werner Neugebauer gegen die Aktivitäten der SPD-Kritiker.

Mit derartigem Medieninteresse an ihrer Aktion hatten sie allerdings nicht gerechnet. Schließlich habe "die SPD und die Medienmaschine aus dem Kanzleramt" alles versucht, sie kalt zu stellen, wie ASG-Pressesprecher Peter Maier beklagte.

Die Frage des Tages jedoch, ob es nach dem Sonderparteitag der SPD am Sonntag zur Gründung einer neuen Linkspartei kommen wird, blieb unbeantwortet. "Unser Zeitfenster ist sehr weit", sagte Händel. Es gehe jetzt erst einmal darum, möglichst viele vom Sozialabbau der Bundesregierung frustrierte Menschen nicht nur in der SPD zu sammeln, um Druck auf die Koalition auszuüben.

Kein Kontakt zu Oskar Lafontaine

Dann werde man die Reaktion der SPD unter dem neuen Vorsitzenden Franz Müntefering abwarten. Sollte sich "unsere Partei" jedoch nicht bewegen und die Agenda 2010 wieder einstampfen, rücke eine neue Partei der Enttäuschten näher. "Diese Option halten wir uns ausdrücklich offen", meinte Händel.

Der Kontakt zur Berliner "Wahlalternative 2006" habe lediglich informellen Charakter. Deshalb stelle sich gegenwärtig auch nicht die Frage nach Galionsfiguren für eine neue politische Sammlungsbewegung. "Kontakt zu Oskar Lafontaine gibt es nicht", versicherte der Bevollmächtigte der IG Metall in Nürnberg, Gerd Lobodda.

"Wir gucken uns jetzt keine politischen Führer aus", sagte der Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Herbert Schui und skizzierte, wie die geforderte soziale Gerechtigkeit für die Menschen an den unteren Einkommensrändern finanziert werden könnte: Weg mit der Agenda 2010 und stattdessen Einführung einer Vermögensteuer und höhere Erbschaftsteuern.

Nicht alle Brücken abgebrochen

Die Empörung über die bisherige Haltung der SPD zu ihrer Initiative sitzt bei allen Akteuren tief. Statt jetzt ihnen mit dem Ausschluss zu drohen, hätte die Parteispitze längst auf die massenhaften Austritte meist altgedienter Genossen reagieren müssen, hält ihr der Bevollmächtigte der IG Metall in Schweinfurt, Klaus Ernst, vor.

Die Parteiführung habe aber immer noch die Chance, mit ihnen zu reden. Allerdings müsse sie dann von ihrer bisherigen Parole abrücken: "Alles wird so weiter gemacht wie bisher."

Nicht ganz abgebrochen sind die Brücken auch für Lobodda. Vor einem Jahr hatte er dem SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder bei einer Regionalkonferenz in Nürnberg davor gewarnt, mit der Abkehr von Flächentarifverträgen und betrieblichen Bündnissen für Arbeit den Gewerkschaften in den Rücken zu fallen.

Ernst: SPD auf dem Weg zum "Projekt 18"

Eine Antwort vom Kanzler habe er nicht erhalten. Die Hoffnung, dass soziale Gerechtigkeit "wieder Besitz von der Seele der Partei nimmt", wolle er dennoch nicht aufgeben. Kommt es dazu aus Sicht der bayerischen IG Metall-Rebellen nicht mehr, sieht Ernst die SPD auf dem Weg zum "Projekt 18".

Eine dauerhafte konservative Majorisierung der Bundesrepublik sei dann nur noch durch eine soziale Partei links von der Sozialdemokratie aufzuhalten.

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