Spanien:"Das ist ein Massaker"

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Bei einer Anschlagsserie auf spanische Züge sind nach Angaben der Behörden mindestens 186 Menschen getötet worden, etwa tausend weitere wurden verletzt. In einigen Wagons wurden weitere, nicht explodierte Sprengsätze entdeckt. Die Regierung macht die baskische Untergrundorganisation Eta für die Attentate verantwortlich.

Die Anschläge ereigneten sich drei Tage vor der Parlamentswahl. "Das ist ein Massaker." Mit diesen Worten beschrieb Regierungssprecher Eduardo Zaplana die Anschläge.

Mit Decken haben Helfer Opfer der Bomben zugedeckt. In diesem Regionalzug im Madrider Bahnhof Atocha waren drei Sprengsätze explodiert. (Foto: Foto: AP)

Die Zahl der Todesopfer ist inzwischen auf mindestens 186 gestiegen. Rund tausend Menschen wurden nach Angaben der Notdienste verletzt, als in der Hauptstadt Madrid in drei Zügen zehn Bomben explodierten.

Weitere Sprengsätze, die in unbeschädigten Wagons gefunden wurden, seien nicht detoniert, weil anscheinend der Zündmechanismus versagte, teilte die Polizei mit. Sie waren in Reisetaschen versteckt und wurden mit kontrollierten Explosionen unschädlich gemacht.

Rettungskräfte befürchten, dass die Zahl der Toten wegen der zahlreichen Schwerverletzten weiter steigt.

Die spanische Polizei sucht inzwischen nach zwei Verdächtigen. Die beiden wurden nach Polizeiangaben dabei beobachtet, wie sie am Donnerstag mehrfach auf der betroffenen Bahnstrecke umstiegen. Die Gesuchten hätten mehrere Male den Zug zwischen Alcala und Henares 35 Kilometer östlich von Madrid gewechselt.

Verbotene Baskenpartei: Eta nicht verantwortlich

Der Chef der verbotenen Baskenpartei Batasuna (Einheit), Arnaldo Otegi, verurteilte die Bombenattentate, wies aber die Erklärung der Regierung, die Eta sei für die Anschläge verantwortlich, zurück. Vielmehr stünden vermutlich islamistische Terroristen hinter den Attentaten.

Er sprach von einer "Operation des arabischen Widerstands". Dafür spreche auch, dass es keine vorherige telefonische Warnung gegeben habe, wie es sonst bei der Eta immer der Fall gewesen sei.

Batasuna ist der politische Arm der Eta, die seit 1968 mit Waffengewalt und Anschlägen für einen unabhängigen Baskenstaat kämpft. Sie verurteilten "blinde Aktionen gegen die Zivilbevölkerung und gegen Arbeiter, die zu ihrer Arbeit unterwegs waren", sagte Otegi vor Journalisten.

Auch die Basken-Partei Abertzaleen Batasuna im südwestfranzösischen Bayonne betonte, die Hypothese der Terroranschläge von "Islamisten" sei nicht auszuschießen, weil diese "präzise Drohungen gegen Länder der Koalition in Irak" gerichtet hätten.

Nach den Worten des spanischen Innenministers Angel Acebes hat die Regierung jedoch "keinen Zweifel" an der Verantwortung der militanten Baskenorganisation Eta für die verheerenden Bombenanschläge von Madrid. Die Eta habe durch das "Massaker" in der spanischen Hauptstadt "ihre Ziele erreicht", sagte Acebes.

Die Äußerungen von Seiten der Batasuna-Partei wies der Minister als "Manipulation" zurück.

Ministerpräsident José María Aznar berief ein Krisenkabinett ein. Der Wahlkampf wurde ausgesetzt, eine dreitägige Trauer angeordnet. Innenminister Angel Acebes rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. "Die Täter werden hierfür teuer bezahlen", sagte er.

Die Sprengsätze detonierten im morgendlichen Berufsverkehr im Abstand weniger Minuten zwischen 7.35 und 7.55 Uhr im Inneren der Züge. Die Züge befanden sich bereits in ihrem Zielbahnhof oder kurz davor. Die Bomben waren in Reisetaschen versteckt. Das Ausmaß der Anschläge war auch deshalb so verheerend, weil es keine Warnung gegeben hatte.

Dramatische Szenen

In der Stadt brach Panik aus, vor den Bahnhöfen spielten sich dramatische Szenen ab. Verletzte rannten blutüberströmt durch die Gegend, Leichen wurden notdürftig mit Zeitungen zugedeckt. Zahlreiche Reisende wurden in den Waggons eingeklemmt. Viele Opfer wurden mit Bussen in die Krankenhäuser gebracht.

Die Polizei machte mit kontrollierten Explosionen mehrere verdächtige Gegenstände unschädlich. Der U-Bahn-Verkehr und der Bahnverkehr wurden sicherheitshalber eingestellt, was zu einem Verkehrschaos führte.

Betroffen von den Explosionen waren der Bahnhof Atocha - die wichtigste Station im Zentrum der spanischen Hauptstadt - sowie die Stationen Pozo del Tío Raimundo und Santa Eugenia. Diese beiden kleineren Stationen liegen in Arbeitervierteln im Südosten der Stadt an der Strecke Madrid-Alcalá-de-Henares.

Die Bombenleger verfolgten offenbar das Ziel, den Nahverkehr in Madrid in der Hauptverkehrszeit zum Zusammenbruch zu bringen. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, Ruhe zu bewahren und Blut zu spenden.

Alle Wahlkampfveranstaltungen abgesagt

Die Anschläge ereigneten sich drei Tage vor der Parlamentswahl am Sonntag, bei der konservative Ministerpräsident José María Aznar (51) nicht wieder antritt. Als klarer Favorit geht der frühere Vizeregierungschef Mariano Rajoy ins Rennen. Sein Rivale ist der 43- jährige Chef der Sozialisten (PSOE), José Luis Rodríguez Zapatero. Die politischen Parteien sagten alle Wahlkampfveranstaltungen ab.

Bei Terroranschlägen der Eta kamen in den vergangenen 30 Jahren über 800 Männer, Frauen und Kinder ums Leben. Das bislang blutigste Attentat der baskischen Untergrundorganisation war ein Anschlag auf ein Kaufhaus in Barcelona im Juni 1987 mit 21 Toten und 30 Verletzten.

Die Eta (Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit) wurde 1958 in Spanien gegründet. Sie betrachtet sich selbst als eine links stehende Befreiungsorganisation. Von der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen wurde sie offiziell als terroristische Vereinigung eingestuft.

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